„Wir sind kein Geheimbund“
Die Gladbacher Loge „Vorwärts“ existiert seit 1845. Die WZ hat den Mitgliedern einen Besuch abgestattet.
Mönchengladbach. Der Supermarkt schließt, die Lichter gehen aus. Umso heller leuchten die Fenster des Hauses an der Hansastraße hinaus ins Dunkle. Im Licht hinter dem Vorhang sind Menschen zu erkennen: Ein Treffen der Freimaurer-Loge „Vorwärts“, die es seit 1845 in Mönchengladbach gibt. Da öffnet sich die Tür einladend für Gäste. Man taucht ein in die behagliche Atmosphäre eines britischen Clubs, wo jeder Neuankömmling von Hausherr Kai-Henrik Wolter freundlich begrüßt wird.
Geheime Handzeichen oder Fußstellungen, mit denen sich Insider möglicherweise verständigen, kann der Gast nicht ausmachen. „Man sieht nur, was man weiß“, erklärt Wolter. So seien in Mozarts „Zauberflöte“ zwar alle Symbole und Riten des Freimaurertums offengelegt. Die könne man jedoch nicht erklären: „Das muss man erspüren“, bleibt der Gastgeber wage.
Derweil sieht die Büste des Wiener Komponisten ein wenig grimmig von der holzvertäfelten Wand herab. Mozart war ebenso wie Goethe, Lessing, Herder und Friedrich der Große ein Freimaurer. Sie pflegten in ihren Logen Bräuche, die bis heute geheimnisvoll geblieben sind. Einmal im Monat öffnet „Vorwärts“ das Haus für Gäste — was ansonsten hinten den Mauern passiert, bleibt verborgen.
Eine Tradition, die auf die Gründung des Logenwesens im Jahr 1770 zurückgeht, erfährt der Gast. Im Zeitalter der Revolutionen strebten die Freimaurer nach Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Im Schutz der Loge herrschte Meinungsfreiheit. „Wir sind kein Geheimbund. Wir sind eine verschwiegene Gemeinschaft“, betont Kai-Henrik Wolter. Er nennt sich Meister vom Stuhl.
Das Freimaurerwesen leite seine Riten und Symbole von den Dombaumeisterhütten des Mittelalters ab, in denen sich Steinmaurer von Lehrlingen zu Gesellen und Meistern weiterentwickelten.
Geheime Zeichen waren das Bindeglied zwischen den verschiedenen Bauhütten und dienten der Legitimation, so der Freimaurer.
Seit vielen Tausenden von Jahren benutzt der Mensch Werkzeuge, erklärt Logenmitglied Wolfgang Ruske. Das Wissen über ihre Symbolik gehe bis in Mysterienschulen des alten Ägyptens zurück. Er hat seine Sammlung an Steinmetz-Werkzeugen mitgebracht: Hammer, Lot, Winkelmaß, Meißel oder Zirkel seien Zeichen des Alltägliches, hinter dem das wahre Wesen der Dinge verborgen liege, erläutert Ruske.
Wie der raue Stein mit Werkzeugen bearbeitet wurde, so nutze der Freimaurer die Symbolik von Winkelmaß und Zirkel zur Selbsterkenntnis. Als Baumeister am Tempel Salomons arbeite er daran, ein besserer Mensch zu werden und Humanität in die Welt zu bringen. Der Gast versinkt in gediegenen Ledersesseln, schaut, staunt, bleibt im Dunkeln und lässt sich doch mitreißen von dem Zauber uralter Mysterien.