Woyzecks Schuld unter der Lupe

Mönchengladbach. Woyzeck ist ein moderner Mensch. Das will Schauspieldirektor Matthias Gehrt in seiner Inszenierung des Stücks von Georg Büchner zeigen. Die hat am Donnerstag, 20 Uhr, im Theater im Nordpark (TiN) Premiere.

„Menschen, die sich vergeblich abhetzten, gab es auch zu Büchners Zeiten“, sagt er. Woyzeck rennt und rennt und versucht, sich und seine kleine Familie mit mehreren Stellen über Wasser zu halten. Zum Schluss zerstört er es selbst, er bringt seine Marie um, er endet am Galgen, sein Kind bleibt verwaist zurück.

Diese unausweichliche Tat stellt Gehrt an den Anfang, dann geht es zurück zur Analyse der Umstände. „Es war damals ein Novum, nach den Umständen einer Tat und der Schuldfähigkeit zu fragen“, erzählt er über den historischen Hintergrund. Der echte Woyzeck wurde 1821 in Leipzig hingerichtet, Büchner — selbst Mediziner — zitiert aus dem Gutachten des Medizinalrates, der im historischen Prozess über Woyzecks Schuldfähigkeit befand und seine Verurteilung besiegelt.

Büchner, der in seinem Drama einen schonungslosen Blick auf die Lebensbedingungen unterprivilegierter Menschen wagte, analysiert deren Auswirkungen auf ihre Seele so genau, dass man erst 1913 die Uraufführung des Fragmentes wagen konnte, als die Seele des Menschen Forschungsgegenstand der Psychoanalyse geworden war.

„Das war 1937 avantgardistisch“, sagt Gehrt. Auch heute noch stellt der fragmentarische Text Regisseure vor Herausforderungen. „Der Text ist kurz“, beschreibt Gehrt. Manche Szene hätten nur wenige Zeilen. An der Sprache hat er nichts geändert, um Modernität zu erzeugen. „Das ist nicht nötig. Ich ändere so wenig wie möglich.“ boe