Opfer aus dem Rhein-Kreis Neuss Raser-Unfall: So sehr leiden die Eltern
Rhein-Kreis. · Eltern des getöteten Riccardo reisen zur Verhandlung nach Stuttgart.
Es ist ein unvorstellbarer Kraftakt, den dieses Ehepaar seit knapp zwei Monaten immer wieder auf sich nimmt. Vor jedem Verhandlungstag fährt es die stundenlange Strecke von Kaarst nach Stuttgart. Immer und immer wieder. Meistens übernachten die beiden im Hotel, was auch eine finanzielle Herausforderung darstellt. Doch diese wirkt verschwindend gering im Kontrast zu den emotionalen Belastungen in den vergangenen Wochen. Schließlich machen sie das alles für ihren Sohn Riccardo, der wie seine Freundin Jaqueline am 6. März dieses Jahres aus dem Leben gerissen wurde.
Auf der Anklagebank sitzt seit dem 11. September ein 21-Jähriger, der an jenem Abend mit einem geliehenen, 550 PS starken Jaguar in die Seite von Riccardos Auto krachte. Kurz vor dem Crash soll der Angeklagte laut einem Gutachten noch 160 bis 165 Kilometer pro Stunde gefahren sein – in der Innenstadt. Der 25 Jahre alte Riccardo aus Kaarst und seine 22 Jahre alte Freundin hatten keine Chance. Der Jaguar-Fahrer und sein Beifahrer blieben unverletzt.
Bei jedem Prozesstermin trägt der Vater von Riccardo ein schwarzes Poloshirt mit einem Foto seines Sohnes. Auch Riccardos Mutter hat ihren Sohn während der Verhandlung immer bei sich – in Form einer alten Rasta-Locke, die sich der 25-Jährige vor Jahren hatte abrasieren lassen. Nicht einmal habe der wegen Mordes Angeklagte ihnen in die Augen gesehen. Riccardos Eltern müssen in diesen Wochen nicht nur mit einem Felsbrocken an Trauer und Wut umgehen, sondern sich vor allem auch in Selbstbeherrschung üben.
Vater trägt schwarzes Poloshirt mit dem Foto seines Sohnes
Im Haus der beiden liegen viele bunte Bausteine auf dem Boden verteilt. „Unser Enkel war bis eben noch da“, sagt Riccardos Vater. Auch wenn er noch nichts davon weiß, ist der Anderthalbjährige derzeit einer der größten Trostspender. Immer wenn der Pastor zu Besuch ist, wird Riccardos alte Kommunionskerze angezündet. Offenbar gab es in der letzten Zeit viele Besuche, denn das Wachs ist so weit heruntergeschmolzen, dass von Riccardos Namen nur noch die Buchstaben „RDO“ zu sehen sind. Seine Mutter hat Tränen in den Augen, als sie auf ihrem Handy ein Video abspielt, das am 21. Oktober aufgenommen wurde. An diesem Tag wäre Riccardo 26 Jahre alt geworden. Am Abend besuchten einige Freunde sein Grab in Düsseldorf, wo er mit seiner „Jaqui“ beigesetzt wurde. Besonders rührend: Sie stellten ihrem Freund sogar Kuchen und ein Bier ans Grab. Es wurde Musik abgespielt.
Riccardos Eltern erlebten den Geburtstag ihres Kindes im Gerichtssaal. An jenem 12. Verhandlungstag sagte der Sicherheitsmann des Kinos aus, in dem Riccardo und seine Freundin – die beiden waren erst vor kurzem nach Stuttgart gezogen – gearbeitet haben. Es ist der Mann, der mit den beiden zuletzt sprach. Er habe noch ein paar Minuten mit Jaqueline geplaudert, während Riccardo den Wagen umparkte. Kurz nachdem er sich von beiden verabschiedete und einen guten Heimweg wünschte, geschah das Unfassbare. „Er macht sich schlimme Vorwürfe, dabei trifft ihn natürlich keine Schuld“, sagt Riccardos Vater.
Die Schuld-Frage – sie fokussiert sich auf den 21 Jahre alten Raser, der angeklagt ist. Am 15. November werden Riccardos Eltern hören, ob und wie lange der mutmaßliche Mörder ihres Sohnes hinter Gitter muss.