Drei Beschuldigte aus Untersuchungshaft freigelassen NRW-Gerichte kommen nicht hinterher

Düsseldorf · Ein mutmaßlicher Mörder, ein Verdächtiger für einen Mordversuch und ein mutmaßlicher Drogendealer: Alle drei kamen in NRW vorzeitig auf freien Fuß - wegen zu langsamer Arbeit der Gerichte.

Drei Beschuldigte sind in NRW wieder frei, weil die Gerichte nicht hinterher gekommen sind.

Foto: dpa/Marius Becker

Wegen zu langsamer Arbeit der Justiz in Nordrhein-Westfalen sind im vergangenen Jahr drei mutmaßliche Straftäter aus der Untersuchungshaft freigelassen worden. Im Vorjahr waren es noch sieben. Das teilte das NRW-Justizministerium auf dpa-Anfrage mit.

Im April war ein Angeklagter freigelassen worden, dem Mordversuch vorgeworfen wurde. Der Vorsitzende Richter war während des Prozesses nach 27 Verhandlungstagen schwer erkrankt. Die Kammer beschloss, den Prozess auszusetzen. Diese Aussetzung wäre nicht notwendig gewesen, befand das Oberlandesgericht (OLG) in Hamm und ordnete die Freilassung an.

In Dortmund kam sogar der mutmaßliche Mörder der Schülerin Nicole Schalla frei. Im Januar war zunächst eine Richterin erkrankt. Dann musste auch noch der Vorsitzende Richter wegen coronabedingter Gesundheitsgefährdung ausgewechselt werden. Der Prozess platzte und musste neu gestartet werden. Das dauerte dem OLG Hamm zu lang: Der Angeklagte kam frei, erschien aber zum Neustart im August vor Gericht. Seitdem wird wieder verhandelt.

Im dritten Fall kam ein mutmaßlicher Drogendealer vorzeitig frei. Zunächst war der Prozess gegen ihn im Juni ausgesetzt worden, weil die Strafkammer nicht vorschriftsmäßig besetzt war. Dann musste das Verfahren im Oktober erneut ausgesetzt werden, weil ein Schöffe für befangen erklärt wurde. Das reichte dem Oberlandesgericht in Hamm: Es setzte den seit November 2019 in Untersuchungshaft sitzenden Angeklagten auf freien Fuß.

„Bei jeder einzelnen Haftentlassung wollen wir ganz genau hinschauen, was in der Zukunft besser gemacht werden muss. Die geringe Gesamtzahl ist aber ein eindrucksvoller Nachweis für das Funktionieren unserer Strafjustiz auch unter den erschwerten aktuellen Umständen“, sagte NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU).

Für Haftsachen gilt ein Beschleunigungsgebot. Nach sechs Monaten U-Haft ist bei jedem Gefangenen von einem Gericht zu prüfen, ob die Fortdauer gerechtfertigt ist. 2017 mussten nur zwei mutmaßliche Straftäter freigelassen werden. In früheren Jahrzehnten sei die Zahl oft zweistellig gewesen.

(dpa)