Freigang aus dem Maßregelvollzug Sexualstraftäter durften zu Prostituierten

Lippstadt/Düsseldorf · Aus therapeutischen Gründen dürfen Sexualtäter aus dem NRW-Maßregelvollzug Bordelle besuchen. Es gebe aber keine durch die Kliniken finanzierten Besuche im Bordell. Eine ähnliches Therapieexperiment beschäftigt derweil die niedersächsische Landespolitik.

Eine Prostituierte in einem Bordell.

Foto: Oliver Berg

Sexualtäter aus dem Maßregelvollzug im nordrhein-westfälischen Lippstadt-Eickelborn durften in Einzelfällen Bordelle im Ruhrgebiet besuchen, um Erfahrungen mit Frauen zu sammeln. Das berichtet der „Spiegel“ in seiner aktuellen Ausgabe. In drei Fällen habe die Klinik solche Besuche in den vergangenen beiden Jahren aus therapeutischen Gründen genehmigt. Das habe der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) als Klinikträger dem Magazin bestätigt. Weitere Bordellbesuche seien geplant.

Es habe sich um Patienten gehandelt, die bereits weitgehende Lockerungsstufen erreicht und kurz vor dem Übergang in die Freiheit gestanden hätten. Die Praxis sei daher verantwortbar gewesen, habe der LWL erklärt. Und eingeräumt, dass die Prostituierten in den Bordellen nicht von der Klinik informiert worden seien, mit wem sie da verkehrten.

Fall in Kanada mit schlimmem Ausgang

Nach einem Bericht der „Bild“-Zeitung hatte es kürzlich in Kanada einen Fall gegeben, in dem ein verurteilter Sexualstraftäter bei seinem Freigang Bordelle besuchen durfte und bei dieser Gelegenheit eine Prostituierte umbrachte. Zu diesem und den Lippstädter Fällen sagte der Landesbeauftragte für den Maßregelvollzug NRW, Uwe Dönisch-Seidel, auf Nachfrage dieser Zeitung:  „Ihr Hinweis auf einen Rückfalltäter in Kanada macht deutlich, dass insbesondere bei Sexualstraftätern mit besonderem Gewaltpotential höchste Wachsamkeit geboten ist, ob überhaupt ein Ausgang vertreten werden kann.“ Auch Dönisch-Seidel bestreitet aber nicht die Lippstädter Fälle.

„Die vom LWL genannten untergebrachten drei Personen, die im Rahmen ihres Ausganges ein Bordell besucht haben, unterschieden sich hiervon deutlich“, sagt er mit Blick auf den Fall im kanadischen Québeq.  Zur Frage, ob und warum es keine „Vorwarnung“ der Prostituierten gegeben habe, äußerte sich Dönisch-Seidel nicht. Er versicherte aber: „Durch die Kliniken angeregte oder  finanzierte Bordellbesuche finden in Nordrhein-Westfalen nach Auskunft der Landschaftsverbände nicht statt.“

Maßregelvollzug: Für dei Allgemeinheit gefährlich

Das deutsche Recht unterscheidet zwischen schuldfähigen, vermindert schuldfähigen und schuldunfähigen  Straftätern. Schuldfähige können zu Freiheitsstrafen verurteilt werden, die sie dann im Gefängnis verbüßen. Im Maßregelvollzug werden Straftäter untergebracht, wenn sie aufgrund einer psychischen Erkrankung oder einer Suchterkrankung schuldunfähig oder vermindert schuldfähig sind und für die Allgemeinheit gefährlich sind. In  NRW gibt es derzeit 14 spezialisierte Einrichtungen, in denen die Patienten untergebracht und behandelt werden.

Wie im Strafvollzug kann es auch im Maßregelvollzug Vollzugslockerungen geben. Uwe Dönisch-Seidel: „Forensische Patientinnen und Patienten in NRW, die unbegleiteten Ausgang haben, sind von der Klinik in Verantwortung der Klinikleitung entsprechend diagnostisch geprüft worden, ob ein  Ausgang ohne Begleitung vertretbar ist. Dabei wird auch die Offenheit und Verlässlichkeit der Patientin oder des Patienten geprüft.“ Unbegleitete Ausgänge würden zudem vor- und nachbesprochen.

422 (20 Prozent) der untergebrachten Personen im NRW-Maßregelvollzug haben eine Sexualstraftat begangen. Andere werden wegen anderer Delikte, die sie schuldunfähig oder vermindert schuldfähig begangen haben, festgehalten. Zum Beispiel wegen Raub, Körperverletzung oder Drogendelikten.