Herr Kraus, was feiern Sie größer: den 80. Geburtstag am 18. März oder die Goldene Hochzeit mit Ihrer Frau Ingrid im Oktober?
Interview „Ich werde die Zahl 80 sofort verdrängen“
Düsseldorf · Rock’n’Roll-Legende Peter Kraus feiert runden Geburtstag, dann Goldhochzeit, geht dann auf Abschiedstour. Zum fünften Mal. Er kommt auch nach Wuppertal.
Kraus: Also den 80. feiern wir jetzt schon sehr groß. Danach schauen wir mal, ob wir noch Lust haben – aber Goldene Hochzeit feiert man vielleicht eh lieber mit der Familie. Für mich als eigentlich Nicht-Geburtstag-feiernden-Menschen ist es sehr stressig. Und danach werde ich die Zahl 80 sofort verdrängen.
Wirklich? Ist es nicht schön, so alt werden zu dürfen?
Kraus: Natürlich ist es toll, das zu erleben – und in dem Zustand. Aber jetzt muss ich dauernd drüber reden, da geht es mir schon langsam auf den Wecker. Und ich bin nun einmal gefühlte 55. Auf meinem Rennwagen steht zwar die 80, aber auf meine Geburtstagseinladung habe ich „since 39“ geschrieben. Ich versuche, die 80 schon weitgehend zu vermeiden.
Ist es als Rock‘n‘Roller schwerer, das Altwerden zu akzeptieren?
Kraus: Ich würde es andersherum sehen: Die Bühne ist wohl der Grund, dass es mir immer noch so geht, wie es mir geht. Das Publikum erwartet von mir nun einmal nicht, mit dickem Bauch auf einem Barhocker zu sitzen. Sondern dass ich nonstop herumwirbele. Der Ehrgeiz ist dann auch da, das zu erfüllen. Oder eine Berufseitelkeit? Vielleicht hätte ich mich ohne die auch manchmal gehen lassen.
Es ist nicht überraschend jetzt zu hören, die anstehende Tour sei Ihre letzte. Aber ist sie es diesmal womöglich wirklich?
Kraus: Ich glaube, diesmal könnte es zutreffen. Ich habe es zwar schon ein paar Mal gesagt – sie heißt ja „große Jubiläumstournee“ und ist tatsächlich auch meine fünfte Abschiedstournee; das ist ja auch schon ein kleines Jubiläum (lacht). Aber im Ernst: Irgendwann muss man mal vernünftig sein.
Schon? Mit 80?
Kraus: Jetzt gerade sitze ich auf meiner Terrasse und schaue auf den See - manchmal denke ich mir, ich könnte das ewig tun und einfach nichts im Kopf haben. Wenn ich im November auf Tour gehe, heißt das bei mir, dass ich ab Januar an nichts anderes denke, nachts um drei aufwache und Ideen aufschreiben muss, die mir gerade gekommen sind. Aber wer weiß: Womöglich würde es mir sonst langweilig. Meine Frau liebt das an mir. Aber sie hasst es auch.
Sehen Sie sich selbst eigentlich vor allem als Musiker oder als Schauspieler?
Kraus: Eigentlich als Schauspieler, aber man gibt mir nicht die Möglichkeit dazu. Was mir leichter fällt, ist allerdings die Sangessache. Auf der Tournee konzentriere ich mich auf die Musik der 50er und 60er Jahre – das schüttel ich aus dem Ärmel. Dazu erzähle ich Geschichten und Anekdoten von damals.
Besteht Ihr Publikum vor allem aus Nostalgikern? Oder kommen da auch junge Leute, um richtig abzutanzen?
Kraus: Da sind schon viele junge Leute dabei. Mein ursprüngliches Publikum wird ja langsam alt und müde. Wenn ich es da nicht schaffe, die Jugend anzuziehen, brauche ich ja nicht über die nächste Abschiedstournee nachdenken (lacht wieder). Tatsächlich fühle ich mich nicht so auf eine bestimmte Zeit ausgelegt und das mögen junge Menschen.
Auch wenn es musikalisch um die 50er und 60er geht?
Kraus: Gerade dann. Sie freuen sich über die Musik, die hat immer noch eine große Anziehung. Wir werden auf der Tournee sehr reduziert sein: nicht so monströs, keine Lichtorgel, nicht laut. Nur sieben Musiker auf der Bühne, die spielen und singen – und das war‘s. In den 50ern hat das gereicht, damit Stühle zu Bruch gingen.
Also war früher doch alles besser – zumindest in der Musik?
Kraus: Auf jeden Fall. Weil wir live gespielt haben und das Publikum mit Können beeindrucken mussten.
Mit modernem Pop und Schlager können Sie nicht viel anfangen, oder?
Kraus: Es ist einfach nicht meine Sache. Mein Produzent hat mir früher gesagt, irgendwann bleibe man bei einer Musik stehen. Ich habe damals gesagt: Was für ein Blödsinn, ich gehe immer mit der Zeit. Und was höre ich jetzt? Nur Swing, Jazz und natürlich Rock‘n‘Roll.
Trotzdem haben Sie ein Duett mit Helene Fischer gemacht ...
Kraus: Sie ist ein tolles Beispiel für einen Künstler, der es kapiert hat: Wissen Sie, ich könne mich weigern, heute noch immer „Sugar Baby“ zu spielen – aber das ist meine Visitenkarte. Damit kriege ich die Leute. Helene Fischer hat mit Schlager so einen Riesenerfolg. Und wenn sie dann eine große Halle gefüllt hat, kann sie zeigen, was sie sonst noch kann – Internationales, Musical, sogar Artistik.
Wer sind Ihre musikalischen Helden?
Kraus: Das sind immer noch Tom Jones, Rod Stewart, Elton John. Heute, das muss ich schon bekritteln, kriege ich die Stimmen zum Teil gar nicht auseinandergehalten – gerade von den Frauen. Jetzt meine ich aber nicht Lady Gaga.
Vor zwei Jahren haben Sie sich in der TV-Show „Spiel für dein Land“ die Schulter gebrochen - war das ein Moment, wo Sie an ein Ende Ihrer Karriere dachten?
Kraus: Ich habe erst nicht an einen Bruch geglaubt und saß da weiter in der Show. Es war mein erster Bruch in meinem ganzen Leben, trotz Zirkusnummern und allem, was ich gemacht habe. Ich hielt mich quasi für unverwundbar. Deshalb war es eine besonders harte Zeit. Man wird ein bisserl vernünftiger – und leider auch ein bisschen unsicherer. Aber vielleicht war der Dämpfer gut. Und ich bin wieder fit – der Hüftschwung wird im November wieder gezeigt!
Gibt es ein Training für den Rock‘n‘Roll-Hüftschwung?
Kraus: Ich bin gut verheiratet ...
Haben Sie denn noch Träume – oder schon alle Verrücktheiten ausgelebt?
Kraus: Ja, ich denke schon. Mit 80 gibt es nur noch einen Traum: möglichst lange und gesund leben – und das zusammen mit meiner Frau. Das Schlimmste an einer glücklichen Ehe ist, dass man Angst bekommt, irgendwann allein zu sein.