Private Abwasserleitungen Unsichere Rechtslage beim Kanal-Tüv in NRW
Düsseldorf · Schwarz-Gelb in NRW wollte die Zahl der Eigentümer, die ihre Kanäle überprüfen lassen müssen, stark einschränken. Doch das versprochene Gesetz lässt auf sich warten.
Die Uhr tickt: Bis Ende 2020 müssen Hauseigentümer in Nordrhein-Westfalen, deren Haus in Wasserschutzgebieten liegt und deren private Abwasseranschlüsse ans öffentliche Kanalnetz nach dem 1. Januar 1965 erbaut wurden, eine Zustands- und Funktionsprüfung (Dichtheitsprüfung) vornehmen lassen. Von dieser Regelung sind nach Angaben des Landesumweltministeriums 500 000 Gebäude in NRW betroffen.
Zwar steht im schwarz-gelben Koalitionsvertrag, dass diese Regel abgemildert werden soll. Und dass der Kanal-Tüv in Zukunft nur noch bei Neubauvorhaben, bei wesentlichen baulichen Veränderungen und ansonsten nur noch „bei begründeten Verdachtsfällen“ verpflichtend sein soll. Doch diese Lockerung ist bisher nur ein Versprechen. Wirksam würde sie erst, wenn der Landtag sie in Gesetzesform gießen würde. Ein Überblick, worum es bei dem Thema geht:
Warum müssen die privaten Abwasserleitungen überprüft werden?
Auf Anfrage dieser Zeitung im NRW-Umweltministerium betont eine Sprecherin mögliche Umweltgefährdungen. Häusliches Abwasser enthalte zahlreiche Kohlenstoff-, Stickstoff und Phosphorverbindungen und eine Vielzahl von Schadstoffen, die aus der Anwendung von Arzneimitteln und Haushaltschemikalien herrühren. Hinzu kommen alle Keime, die aus menschlichen Ausscheidungen stammen. All das würde durch eine undichte Stelle im Abwasserkanal in die Umwelt gelangen. Umgekehrt könnten undichte Kanäle auch das Eigentum des Hausbesitzers schädigen. Komme es beispielsweise zu Starkregen-Ereignissen, dann bestehe keine ausreichende Sicherung gegen eine „Vernässung“ mehr. Rückstau-Sicherungen seien dann unwirksam, wenn sie aufgrund von Undichtheiten umflossen werden.
Nach derzeitiger Rechtslage müssen Grundstückseigentümer bis zum 31. Dezember 2020 in Wasserschutzgebieten eine Dichtheitsprüfung durchführen. Woher weiß ein Hauseigentümer, dass sein Haus in einem solchen Gebiet liegt, wie kann er das feststellen?
Ob ein Grundstück in einem Wasserschutzgebiet liegt, kann im Internet unter www.uvo.nrw.de, unter www.elwasweb.nrw.de ermittelt oder bei der jeweiligen zuständigen Kommune nachgefragt werden. Eine Anleitung für die Suche in elwasweb findet sich auf der Internetseite der Verbraucherzentrale NRW unter https://www.abwasser-beratung.nrw/muss-ich-pruefen.
Wie teuer ist eine solche Überprüfung?
Die Kosten der Prüfung liegen nach Angaben des Umweltministeriums in der Regel in einer Größenordnung von 200 bis 300 Euro. Eine solche Zustands- und Funktionsprüfung muss von einem Fachbetrieb durchgeführt werden. Die Verbraucherzentrale NRW empfiehlt, mindestens drei Kostenvoranschläge einzuholen und diese zu vergleichen. Die Verbraucherschützer warnen vor „Kanalhaien“, die mit unseriösen Methoden an der Haustür auf Kundenfang gehen.
Was passiert, wenn der Hauseigentümer die Prüfung nicht vornehmen lässt?
Dann droht ihm ein Bußgeld.
Wenn die Prüfung ergibt, dass es eine undichte Stelle gibt – wie hoch sind die Kosten bei dem dann anstehenden Sanierungsfall?
Der Eigentümerverband Haus und Grund spricht davon, dass die Sanierungskosten eines normalen Einfamilienhauses in Innenstadtlage bei 3000 bis 5000 Euro liegen dürften. In ländlichen Gebieten mit größeren Grundstücken könnten aber auch Kosten bis zu 20 000 Euro fällig werden.
Muss der Hauseigentümer diese Kosten selbst tragen?
Weil der Eigentümer für den Zustand seiner Abwasserleitung verantwortlich ist, muss er die Kosten tragen. Das Umweltministerium weist darauf hin, dass das Land auf Antrag über die NRW.Bank ein Darlehen mit Zinsverbilligung gewähren kann. Und die Verbraucherzentrale NRW gibt den Rat, dass die Handwerkerleistungen sowohl mit Blick auf die Überprüfung als auch auf die Sanierung steuerlich geltend gemacht werden können. Auch lohne sich gegebenenfalls ein Blick in den Gebäudeversicherungsvertrag, der möglicherweise eine Sanierung mit absichert.
Im Koalitionsvertrag von CDU und FDP ist davon die Rede, dass es eine verpflichtende Funktionsprüfung privater Abwasserkanäle nur bei Neubauvorhaben, bei wesentlichen baulichen Veränderungen auf Grundstücken und bei begründeten Verdachtsfällen geben soll. Das würde den Kreis von derzeit 500 000 überprüfungspflichtigen Gebäuden stark eingrenzen. Aber wann läge ein „begründeter Verdachtsfall“ vor?
Das NRW-Umweltministerium kann sich zu dieser Frage noch nicht abschließend äußern. „Die Sachlage ist komplex, in Abstimmung mit Expertinnen und Experten wird an einer Konkretisierung gearbeitet“, heißt es.
Aber wird die im Koalitionsvertrag versprochene Regelung denn noch so rechtzeitig Gesetz, dass die Grundstückseigentümer in Wasserschutzgebieten jetzt noch abwarten können und erst einmal nichts tun müssen?
Auch hierzu kann das Umweltministerium „keine definitive Aussage treffen“. Man arbeite aber an einer zeitnahen Regelung.