Unruhen: Rückkehr aus Ägypten nach Zons
Ingenieur Guido Rapior ist sicher nach Hause zurückgeflogen.
Dormagen. Computer, Kamera, Rasierzeug, Wäsche, Wasser und Papiere: Mehr hat Guido Rapior nicht bei sich, als er am Dienstagabend am Flughafen rheinischen Boden betritt. Er kommt via München geradewegs aus dem ägyptischen Alexandria. Dort hatte ihn eine Boeing 737 aufgesammelt; eine Chartermaschine, mit der der Thyssen Krupp-Konzern seine Mitarbeiter ausfliegen ließ. Wer wollte, konnte bleiben. Guido Rapior wollte nicht.
„Mir war klar, dass über kurz oder lang die Versorgungslinien abgeschnitten werden, und irgendwann vielleicht auch die Flughäfen geschlossen werden“, erzählt der 40-Jährige. Der Diplom-Ingenieur für Verfahrenstechnik arbeitet für die ThyssenKrupp-Tochter Uhde GmbH. Seit elf Jahren schickt ihn die Firma als Qualitätsingenieur auf Baustellen vornehmlich in arabischen Staaten. Zurzeit läuft sein dritter Ägypten-Einsatz, ein Chemieanlagen-Neubau in der Hafenstadt Damietta, ganz im Norden des Landes. Zwei Jahre Bauzeit waren geplant. „Jetzt dauert es länger“, sagt Rapior.
Er wirkt entspannt, sitzt aufrecht und nimmt einen Schluck Tee. Keine Spur von Aufregung, Strapazen, ausgestandenen Ängsten. „Ich selbst habe keine Gewalt oder Übergriffe erlebt“, sagt er. Klar, über CNN, Al Dschasira und die Deutsche Welle habe man die Bilder der blutig geknüppelten Demonstranten auf dem Tahrir-Platz in Kairo gesehen. Dass die Lage ernst „und das Regime nervös“ wird, erkennt Guido Rapior in dem Moment, als am 28. Januar, dem „Tag des Zorns“, Internet und Mobilfunk im 200 Kilometer von der Hauptstadt entfernten Damietta abgeschaltet werden.
Die Baustelle liegt brach, doch Rapior und seine 55 fast ausschließlich deutschen Kollegen treffen sich täglich. Alles bleibt ruhig — und doch hat jeder die Flucht im Hinterkopf. „Ab Sonntag hatten wir immer alles Wichtige am Mann, jeder hatte seinen Pass dabei“, erzählt Rapior. „Beobachten, analysieren, Strategien entwickeln“, fasst er das rational-abgeklärte Motto dieser Tage zusammen, und aus dem Mund eines Ingenieurs klingt das wie selbstverständlich.
Dass er heimfliegen kann, erfährt Guido Rapior am Montagnachmittag. Er wird bis zu dem Moment, als die Maschine einen Tag später in Alexandria abhebt, keine Ausschreitungen erleben. Nur der für einen Wochentag auffällig dünne Verkehr, Straßensperren und Militärpatrouillen lassen den Ausnahmezustand erahnen. Mit Berichten von brennenden Gebäuden, wie die Kollegen aus Kairo sie gesehen haben, kann er nicht dienen, „al-hamdu lillah, Gott sei Dank“: Guido Rapior spricht und schreibt mittlerweile gut arabisch. Er ist jetzt wieder zuhause in Zons und verfolgt die Ereignisse in Ägypten im Fernsehen. Kontakt aufnehmen kann er nicht, das Internet ist tot.
Er könne den Frust der Menschen verstehen, sagt der 40-jährige über die hohe Arbeitslosigkeit, die fehlende Perspektive. Wenn sich die politische Lage in Ägypten stabilisiert hat, wird Guido Rapior nach Damietta zurückkehren und seinen Job zu Ende bringen. Wohin es ihn danach verschlägt? Er weiß es nicht.