Wenn Hasen Ostereier legen
Der Theologe Manfred Becker-Huberti referierte über Ostersymbolik.
Dormagen. Der Anruf kam aus dem Kölner Schokoladenmuseum. „Ich sollte vorbeikommen und mit Kindern das Ostertier gießen“, erzählt Professor Manfred Becker-Huberti. Der katholische Theologe und Volkskundler ahnte beim Ausdruck „Ostertier“ nichts Gutes. Er fragte nach und erfuhr, dass es ein Hase sei, den man in Schokolade zu gießen gedenke.
Eine Stunde und eine Lektion in Brauchtum später stand Becker-Huberti dann im Kölner Museum und erstellte mit den jugendlichen Besuchern ein Osterlamm, Symbol für die Auferstehung Christi. Die Form dafür hatte das Museumspersonal noch eiligst beim Bäcker ausleihen müssen.
Gerne erzählt der 66-Jährige diese Anekdote. Er will mit der landläufigen Vorstellung vom Hasen als österlichem Wappentier aufräumen. Genau in dieser Mission war Becker-Huberti jetzt zu Gast in der Knechtstedener Klosterbibliothek. Auf Einladung des Fördervereins für das Missionshaus ging er der Frage nach, wie der Hase zu Ostern kam, und warum er seit Jahrhunderten ausgerechnet Eier in fremden Gärten deponiert. Ob Meister Lampe sich nun wegen seiner meist oval geformten und in größeren Mengen abgelegten Hinterlassenschaften als Eierüberbringer anbot oder aufgrund seiner Fruchtbarkeit ins österliche Bild passte, ist nicht überliefert.
Im 17. Jahrhundert jedenfalls taucht das Langohr erstmals im Zusammenhang mit dem Osterfest auf. „Ein interessantes, aber evangelisches Ostertier“, meint Becker-Huberti, der sich seit Jahrzehnten mit dem Zusammenhang von Liturgie und Brauchtum befasst. Weit vor dem Hasen schon war das Ei, das bereits im ersten christlichen Jahrtausend zum Osterfest gehörte. Es galt in der Kirche als Symbol Jesu und wurde, durch Erhitzen haltbar gemacht und rot gefärbt, am Ostermorgen als Symbol verschenkt.
„Das Ei ist hart wie ein Stein, tot, leblos und kalt. Und doch beinhaltet es das Leben, das durch die Farbe des Blutes ausgedrückt wird. Das rot gefärbte Osterei steht für die Macht Gottes über den Tod“, berichtet Becker-Huberti.
Dass gerade zum Osterfest Eier in rauhen Mengen vorhanden waren, erklärt sich aus der Fastenzeit. „Das Ei galt unseren Ahnen als ,flüssiges Fleisch‘ und stand deshalb in der Fastenzeit nicht auf dem Speiseplan“, verriet der Theologe. Weil sich die Hühner auch in den Wochen vor Ostern nicht vom Eierlegen abhalten ließen, ging es dem Federvieh an Fastnacht, den tollen Tagen vor Beginn der Fastenzeit, an den Kragen. Es wurde Schlachtfest gefeiert.
Wie eng Brauchtum und religiöses Ritual verknüpft ist, zeigt sich mancherorts heute noch. Sehr traditionsverbundene Karnevalsgesellschaften dekorieren ihre Wagen mit toten Hühnern als Reminiszenz an diesen früheren Brauch. Was dennoch an Eiern während der Fastenzeit anfiel, machten die Menschen im Mittelalter durch Einlegen oder Erhitzen haltbar, gruben es im Garten ein und beschenkten sich damit als Segensgabe zum Osterfest. Ein Brauch, an dem auch die Protestanten Gefallen fanden, die jedoch, weil nicht an die katholische Fastenzeit gebunden, keinen rechten Grund fürs österliche Eieressen anbringen konnten. Sie etablierten ab dem 17. Jahrhundert den Eierkult als Bestandteil eines eher weltlich geprägten Osterfestes.
Fürs kindliche Gemüt musste nun noch ein Eierlieferant her. Je nach Landstrich walteten Henne, Dachs, Kranich oder Kuckuck dieses Amtes. Zur Zeit Goethes hatte sich die Figur des Osterhasen in protestantisch geprägten Gegenden weitgehend durchgesetzt, erzählt Becker-Huberti. Er deutet den hoppelnden Eierbringer als eine Art österlichen Gegenentwurf zum Weihnachtsmann: „Jemand, der heimlich und unerkannt schenkt.“
Abseits der Hasenfrage räumte der Experte auch mit manch weit verbreitetem Irrtum auf. So erfuhren die rund 40 Zuhörer, dass die Bezeichnung Ostern nicht auf eine germanische Göttin namens Ostara, sonder auf die griechische Vokabel „eos“ für Morgenröte zurückgeht und dass die Nacht zum Ostersonntag ebenso wie die Heilige Nacht den Christen als „nox sacratissima“, als heiligste Nacht gilt. Beide sollen durchwacht und durchbetet werden, damit der Gottesdienst den Sonnenaufgang berührt. Viele mittelalterliche Sakralbauten — auch die Basilika in Knechtsteden — sind nach Osten ausgerichtet, so dass die Sonne über dem Altar aufgeht.