Führung über den Friedhof in Kaarst Der Friedhof ist ein Stück Stadtgeschichte

Kaarst. · Hobbyhistoriker Josef Johnen entlockt alten Grabsteinen so manches Geheimnis.

Josef Johnen gibt den Teilnehmern der Führung einen Überblick über 250 Jahre Bestattungskultur in Kaarst.

Foto: Rick, Markus (rick)/Markus Rick (rick)

Welche Geschichten würden die Grabsteine erzählen, wenn sie reden könnten? Diese Frage hat sich Brigitte Pelzer schon oft gestellt, wenn sie auf dem Kaarster Friedhof spazieren geht. Gemeinsam mit anderen elf Interessierten bekam sie jetzt Antworten: Hobbyhistoriker Josef Johnen, ein „Kaarster Urgestein“, führte in Kooperation mit der Volkshochschule Kaarst-Korschenbroich über den Friedhof und entlockte in zwei Stunden gewissermaßen den Grabsteinen so manch überraschende Geschichte.

Zu Beginn erklärte Johnen die mehr als 250-jährige Kaarster Bestattungskultur mit Funden in der Nähe des heutigen Mercure-Hotels. Im Laufe der Zeit bildete sich ein Kirchhof mit christlich-katholischen Begräbnissen rund um die Kirche Alt Sankt Martin. Der Hof wird heute durch die alten Grabsteine nachgebildet. 1763 gab es dann die ersten Begräbnisse auf dem v-förmigen Areal am Eingang des Friedhofs Giemesstraße /Jungfernweg.

Das Hochkreuz dient als Zeichen für einen katholischen Friedhof und symbolisiert die Nähe zu Heiligen. Die Sichtachse führt zu Alt Sankt Martin: „Man wollte damals möglichst in der Nähe des Altars begraben sein“, erzählte Josef Johnen. Auch die Wege wurden in Kreuzform angelegt. Nach 1900 wurden auch evangelische Christen auf dem Friedhof bestattet.

Johnen stellte einige Grabsteine exemplarisch für die Kaarster Historie vor: etwa das große Familienmonument der Familie Röskes mit freistehender Plastik. Oder einen schlichten Grabstein der Familie Johnen von der Broicherseite als Hinweis auf fehlenden Wohlstand. Dessen Daten zeigen, dass von zehn bestatteten Personen nur zwei älter als 50 Jahre wurden.

Beeindruckend ist auch der Grabstein für einen 1947 verstorbenen ukrainischen Kriegsgefangenen mit kyrillischer Inschrift: „Er starb durch die Hand seiner Feinde“, übersetzte Johnen. Wie genau, ist unklar. Eigentlich ist das Ganze ein Doppelgrab, denn ein weiterer russischer Kriegsgefangener ist dort begraben. Ein Hinweis auf ihn fehlt allerdings.

Grabsteine wurden von beiden Seiten beschrieben

Ein gutes Beispiel für die weit verbreiteten Kreuzgrabsteine mit Sockel und eine durch Knöpfe abnehmbare Platte liefert der Grabstein von Johannes und Alwine Gyo: „Die Platte konnte abgelöst und auf der anderen Seite beschriftet werden“, sagte Johnen den verblüfften Besuchern. Auch der Grabstein der Familie Langenfels ist von beiden Seiten beschrieben.

Die Form des Grabmals des im Ersten Weltkrieg gefallenen Johann Hamacher symbolisiert mit seiner Balkenform das militärische „Strammstehen“, erklärte Johnen, der die gesamte Führung ohne Manuskript hielt.

Die größte Grabstätte ist die der Familie Michels-Winkelhoch mit mächtigem schwarzen Marmorblock. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Grabsteine immer kleiner – bis hin zu sehr modernen wie das Abbild eines Löwenkopfs als Hinweis auf Sternzeichen und Charakter des Verstorbenen. Viele Eiben sind noch auf dem Friedhof zu finden: Sie haben den Ruf, schlechte Gerüche verteiben zu können.

Auf dem neueren Teil des Areals in der Nähe der Friedhofskapelle stehen viele Grabsteine mit Hinweisen auf berufliche Tätigkeiten wie Schreiner, Priester oder Landwirt. Die Teilnehmer waren am Schluss begeistert: „Die Führung hat mir sehr gut gefallen“, sagte Ralf Klages.