Escape Room „Fixing The Boat“ in Kaarst Vermittlung jüdischen Lebens kommt zu kurz

Kaarst · Zur Interkulturellen Woche hat die Stadt Kaarst im Albert-Einstein-Forum einen Escape Room unter dem Titel „Fixing The Boat – Finding Identity“ angeboten. Unsere Autorin probierte ihn aus.

Bei dem mobilen Escape Room handelt es sich um ein Modellprojekt zur Vermittlung jüdischen Lebens und Vielfalt von Identitäten.

Foto: Andreas Woitschützke

Wir müssen das Boot vor dem Sinken bewahren. Die Wellen schlagen von außen schon bedrohlich hoch – und die Zeit läuft. Eine Stunde sind wir schon in diesem besonderen Bootsinnern. Die Luft ist stickig. Das erste Mal in einem Escape Room ist schon etwas Außergewöhnliches. Gut zu wissen, dass die Tür nach außen nur zugedrückt, aber nicht abgeschlossen ist. Außerdem beobachten uns die gesamte Zeit Spielleiterinnen über Kameras. Und doch fühlt man sich trotz der Gemeinschaft der Spielenden etwas verloren.

So werden sich die Menschen, um die es hier geht, auch gefühlt haben. Denn dieser Escape Room, der aussieht wie ein Boot und „Fixing The Boat – Finding Identy“ heißt, ist ein Modellprojekt zur Vermittlung jüdischen Lebens und Vielfalt von Identitäten. Die nüchterne Beschreibung lässt nicht ahnen, wie knifflig es wird, aus dem im Multifunktionsraum des Albert-Einstein-Forums aufgebauten Boot zu „entkommen“.

Elisabeth Keldenich hat den Escape Room für die NGZ getestet und ist dem Geheimnis auf die Schliche gekommen.

Foto: Elisabeth Keldenich

Zu Beginn erklären uns die beiden Spielleiterinnen Halide Özkurt, Integrationsbeauftragte der Stadt, und Stadtarchiv-Mitarbeiterin Annemarie Schlott die Regeln: Nur im Team können wir die Rätsel lösen, es gilt vier Dinge zu finden, um das Boot (und uns) vor dem Kentern zu bewahren, Ausprobieren geht über Diskutieren, bei Problemen kann der Raum jederzeit verlassen werden und wir sollten nach 60 bis 90 Minuten fertig sein. Gemeinsam mit mir spielen Mitarbeiter des Finanzministeriums Düsseldorf und der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg.

Das Bootsinnere wirkt harmlos gemütlich. Durch ein „Fenster“ ist noch ruhiger Wellengang zu sehen. Zuerst müssen wir ein Kommunikationsmittel suchen: Diese Anweisung haben wir mit auf den Weg bekommen. Da bietet sich ein auf einem Schreibtisch liegendes Tablet an. Und wie lautet der Code zum Entsperren? Ein bisschen hektisch suchen wir in sämtlichen Schubläden und Schränken, bis das Bild eines jungen Pärchens auffällt. Auf der Rückseite findet sich der Code. Nun führt uns Max – so heißt der junge Mann auf dem Bild, das ihn gemeinsam mit seiner Schwester Alisha zeigt – durch das Spiel und kommuniziert per Tablet mit uns, gibt Tipps und Lob.

Paul, ein Junge auf der Reise
ins Gelobte Land

Das erste Zahlenschloss am Schreibtisch hat schon seine Tücken. Die Kombination muss aus Büchern, Plakaten, Musik- und Film-CDs herausgesucht werden, die zu Personenbeschreibungen passen wie Franz Kafka oder Amy Winehouse. Auch sie waren Menschen jüdischen Glaubens, aber das verstehen wir erst später. Schließlich öffnen wir den Schreibtisch, finden Ansichtskarten, die wir auf eine Weltkarte pinnen müssen. Und zwar an die Stellen, die sich durch die Texte ergeben. Verbunden durch Fäden zeigt sich, dass sich eine weit verstreute jüdische Familie in Düsseldorf treffen will – aber warum?

Die Rätsel werden immer komplexer, gleichzeitig steigt das Wasser immer höher. „Wir schaffen es nicht in der angegebenen Zeit“, sagt irgendwann ein Teilnehmer verzweifelt. Tatsächlich werden wir erst nach zwei Stunden das Boot verlassen. Schließlich gelingt es, einen großen Koffer mit den für den jüdischen Jahreskreis nötigen Gegenständen zu öffnen. Das ist interessant, wird allerdings nicht weiter erklärt. Hier hilft uns die jüdische Mitspielerin weiter. Schließlich finden wir im letzten Koffer Dinge von 1938, die ein gewisser Paul auf der Reise ins Gelobte Land mitgenommen hat. Er hat es geschafft, dem drohenden Holocaust zu entkommen und konnte so drei weiteren Generationen zum Leben verhelfen – endend bei Max und Alisha auf dem Foto.

Die von rückwärts aufgerollte jüdische Familiengeschichte lässt einen beklommen zurück. Das wird auch deutlich daran, dass Paul einen an seine Eltern gerichteten Brief nicht abgeschickt hat – ob er ahnt, dass sie ihn nie erhalten werden? Das bleibt ungelöst. Wir fanden Anker, Steuerrad, Kompass und Tablet: Sie stehen für Halt, Handeln, Orientierung und Kommunikation. Ein bisschen zu kurz kam die Wissensvermittlung jüdischen Lebens. Außerdem lenkte die komplexen Rätsel etwas vom Thema ab.