Dä Bott: Viele schmerzhafte Erinnerungen
Schüler und Heimatkreis dokumentieren die Erlebnisse von Vertriebenen.
Meerbusch. „Man saß im Vollen und dann war plötzlich nichts mehr.“ So zitiert Maria Woithe ihre Schwester, die 1945 — mit 16 Jahren — die Vertreibung der Familie aus ihrer Heimat in Niederschlesien in Worte fassen wollte. Überstürzte Flucht, Kälte, Hunger, Angst, Krankheit und das Zurücklassen alles Vertrauten und vieler Vertrauter — dieses Schicksal haben Millionen Deutsche am Ende des Zweiten Weltkriegs erlitten. Viele starben auf dem Weg, viele fanden im Westen eine neue Heimat. Auch auf dem Gebiet der heutigen Stadt Meerbusch.
Vertriebene nach ihren Erinnerungen und Erlebnissen zu befragen und diese zu dokumentieren — die Idee setzten die Heimatkreis-Mitglieder Georg Neuhausen und Peter Dohms Ende 2009 gemeinsam mit Schülern der Klasse 9 des Meerbusch-Gymnasiums um. Neuhausen und Dohms knüpften die ersten Kontakte, die Schüler befragten am Ende über 20 Menschen aus Schlesien, Ostpreußen, Pommern, dem Sudetenland, Brandenburg und Sachsen-Anhalt, die in Bösinghoven und Lank eine neue Heimat gefunden haben.
Sich den jungen Interviewern zu öffnen, war für die 70- bis 80-Jährigen nicht immer einfach. Viele Erinnerungen waren verschüttet, Grausamkeiten und Elend verdrängt. Doch die Reaktionen waren durchweg positiv. „Wir haben unsere Interviewpartner als sehr nett und aufgeschlossen erlebt“, erzählt René Rökendt rückblickend. „Und sie waren gut vorbereitet und hatten ihre Gedanken gebündelt.“
Akkurat fassten die Schüler ihre Aufzeichnungen zusammen, die bearbeitet und den Befragten erneut zur Kontrolle vorgelegt wurden. „Vielleicht erinnern sich die Betroffenen nicht mehr an alles, aber Falsches ist in den Aufzeichnungen nicht enthalten“, sagt der Historiker Dohms. In einer Sonderausgabe der Zeitschrift Dä Bott, herausgegeben vom Heimatkreis Lank, haben Dohms, Neuhausen und der SMG-Geschichtslehrer Jürgen Hengst die Geschichten nun dokumentiert.
Bilder illustrieren Momentaufnahmen des Lebens in der Heimat, gewähren manchmal auch einen Blick in die Gegenwart. Konzentriert auf zehn Bauernsiedlungen wurden die Vertriebenen heimisch, trotz der Glaubensunterschiede. Als Beleg für die gelungene Integration wertet Peter Dohms die Wiederbelebung des Erntedankfestes, einen Brauch, den die evangelischen Christen aus dem Osten pflegten.