Ein Gedankenspiel vom geteilten Meerbusch
Vor 40 Jahren, am 20. Mai 1976, verhinderte der Landtag in letzter Minute, dass die Stadt zwischen Düsseldorf und Krefeld aufgeteilt wurde. Wäre die Entscheidung so gefallen, wäre dieser fiktive Bericht vielleicht Realität.
Seit vier Jahrzehnten ist die einstige Stadt Meerbusch geteilt — jetzt wollen immer mehr Bürger die vom Düsseldorfer Landtag initiierte Trennung rückgängig machen. Politiker haben eine geheime Runde gegründet, die Bürgervereine betonen immer häufiger die Einigkeit der alten Stadt Meerbusch. Zunehmend zeigt sich: Die künstliche Erweiterung Krefelds und Düsseldorf um die zwei Hälften von Meerbusch hat zwar am Reißbrett funktioniert, aber die Herzen der Bevölkerung sind nicht erreicht worden.
Werner Damblon, in diesem fiktiven Szenario Bezirksvorsteher für den Düsseldorfer Meerbusch-Bezirk
Genau 40 Jahre ist es heute her: Am 20. Mai 1976 wurde Meerbusch durch einen politischen Handstreich zur Hälfte Krefeld, zur Hälfte Düsseldorf zugeschlagen. Es war ein denkbar knappes Ergebnis: 94 Stimmen votierten im Landtag für die Zerschlagung, 92 dagegen. Schon damals gab es auch politische Bedenken gegen die Auflösung Meerbuschs, das erst sechs Jahre zuvor, im Jahr 1970, als Zusammenschluss mehrerer Dörfer entstanden war. Arrangierten sich die Meerbuscher in den ersten Jahrzehnten nach der Trennung noch stillschweigend mit der Situation, äußert sich nun zunehmend Unmut.
„Was hat die Teilung Meerbuschs gebracht?“, fragen sich immer mehr Bürger, zuletzt der Heimatkreis Lank-Latum, der für den vergangenen Montag zu einer Podiumsdiskussion geladen hatte. Mit dabei: Krefelds Oberbürgermeister Frank Meyer (SPD) und Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD). Beide räumten dort ein, das frühere Meerbuscher Stadtgebiet selten zu besuchen. „Ossum-Bösinghoven, Lank-Latum, Nierst und Langst-Kierst, das fühlt sich nicht an wie Krefeld“, sagte Frank Meyer. Und Thomas Geisel gestand: „Zuletzt war ich in Ilverich, um dort unser Düsseldorfer Klärwerk zu besuchen. Aber sonst komme ich eigentlich selten bis an den nordwestlichen Zipfel unserer Stadt.“
Vieles hat sich verändert in der einst so dörflich geprägten Stadt Meerbusch. Die Krefelder haben schnell nach der Angliederung Meerbuschs ihren Hafen in Richtung Süden erweitert. Der dafür erforderliche Abriss weiter Teile von Meerbusch-Nierst und die Umsiedlung der Bewohner in das Dorf „Neu-Nierst“ wurde noch hingenommen. Als der Hafen in der Folge aber auch weiter an Lank heranrückte, eine neue Autobahn von der Rheinbrücke direkt am Hafen und Lank vorbei bis an die A 57 gebaut wurde, wuchs die Skepsis gegen das Krefelder Rathaus. Den Lanker Marktplatz gibt es nicht mehr — zu viele historische Stadtkerne würden keinen Sinn machen, hatte der Krefelder Rat schon 1980 beschlossen. In Lank steht seitdem mittig auf dem Marktplatz ein Einkaufszentrum — die „KRE-Passagen“.
Auch in den Düsseldorfer Stadtteilen Büderich, Strümp, Osterath und Ilverich wächst die Skepsis gegen das künstliche Städte-Konstrukt. Freuten sich die Büdericher zunächst noch, weil sie eine emotionale Nähe zur anderen Rheinseite verspürten, sehnen sich viele jetzt doch nach alten Zeiten. Seitdem der Flughafen Düsseldorf zum Europa-Drehkreuz ausgebaut wurde und sämtlicher Flugverkehr über Meerbusch abgewickelt wird, fühlen sich die ehemaligen Meerbuscher Stadtteile von der Düsseldorfer Stadtspitze verschaukelt. „Wir sind nicht mehr als ein Anhängsel von Düsseldorf“, sagt der CDU-Bezirksvorsteher Werner Damblon aus Büderich. „Ich würde viele Vorteile bei einer Wiedervereinigung Meerbuschs sehen.“ Dem Vernehmen nach hat Damblon bereits mit anderen Meerbuscher Bezirkspolitikern, unter anderem der rührigen Ortspolitikerin Angelika Mielke-Westerlage (CDU) aus Osterath und Heidemarie Niegeloh (SPD), einen runden Tisch gegründet. Nur Politiker des ehemaligen Meerbusch nehmen teil — Düsseldorfer und Krefelder haben keinen Zutritt. Getagt wird im Restaurant „Düsselperle“ (früher Forsthaus).
Es gibt weitere Versuche der Wiedervereinigung, zarte Pflänzchen zwar, aber sie existieren: Die Bürgervereine von Büderich und Lank laden seit einigen Wochen zum gemeinsamen Stammtisch ein. Die Sportvereine Adler Nierst und der FC Büderich veranstalten in diesem Jahr erstmals den „Meerbusch-Cup“, ein Fußballturnier mit Teilnehmern aller ehemaligen Meerbuscher Stadtteile. Der Gewinner erhält einen Pokal in Form des alten Meerbuscher Stadtwappens.
Nicht zuletzt eine kleine Anekdote zeugt vom Wiedervereinigungswillen. Ein historischer Grenzstein, der 1976 beim Festakt zur Trennung der Stadt zwischen Lank und Strümp gesetzt wurde, um die Teilung zu dokumentieren, ist in der vergangenen Woche von Unbekannten entfernt worden. Die Polizei fand ihn einen Tag später wieder an der ehemaligen Stadtgrenze zu Düsseldorf. Jetzt lagert der Grenzstein vorerst bei der Polizei. Auf Anfrage hieß es von der Behörde: „Wir lassen den Stein jetzt erst einmal hier. Wer weiß, ob nicht irgendwann doch dieses Meerbusch wieder auflebt.“