Fotokunst Nähe und Authentizität bestimmen seine Fotografien
Büderich. · Michael Gueth wurde durch seine eindringliche Portraitserie „Auf den zweiten Blick“ bundesweit bekannt.
Lange war er mit seiner Familie in Oberkassel heimisch. Dann wurde aus Michael Gueth ein überzeugter Meerbuscher. „Ich liebe es, in Büderich zu wohnen“, sagt der Fotograf. Sein Studio hat er in Neuss, doch sein Arbeitsfeld reicht rund um den Globus. Modefirmen buchen ihn für internationale Kampagnen, Werbeagenturen lassen Produkte von ihm in Szene setzen.
Durch Corona wurde Gueth wie so viele andere Kreative ausgebremst. „Mir entgingen mehrere tolle Reisen“, bedauert er. „Besonders auf Island, wo ich einen Katalog für ein Düsseldorfer Unternehmen fotografieren sollte, war ich neugierig. Dann wurden alle Aufträge abgesagt.“ Mehr noch als das Unterwegssein fehlen ihm derzeit persönliche Begegnungen. „Ich mache diesen Job vor allem wegen der Menschen, mit denen ich zu tun habe“, betont er. „Produkte allein bringen es nicht. Ich brauche Nähe, sie ist mir ein elementares Bedürfnis.“
Diese Nähe stellt er immer wieder in seinen Portraitreihen her. Ohne verklärten Blick durch die Kamera. Ungeschönt, authentisch, oft wagemutig. Von seiner Atelierwand schauen vier ältere Gesichter herab. „Ich finde sie reizvoll. Bei diesen Männern ist jede Falte sichtbar, das sind gelebte Leben.“ Einmal hat er es auf die Spitze getrieben mit dem Realismus und dabei Grenzen überschritten. Für die Serie „Auf den zweiten Blick“ portraitierte Gueth Prominente als Greise und wurde damit weit über Düsseldorf hinaus bekannt. Die Idee der Benefizaktion für die „Herzwerk“-Initiative von Jenny Jürgens kam von ihm. „Aus dem Bedürfnis heraus, etwas Sinnvolles zu tun“, erklärt er. „Meiner Familie geht es gut, meine Kinder sind gesund, mein Beruf macht mir Freude. Da wollte ich etwas zurückgeben.“
2016 wurden die eindringlichen Schwarz-Weiß-Fotos im Düsseldorfer Rathaus ausgestellt, darunter Portraits von Oberbürgermeister Thomas Geisel und seiner Frau Vera, TV-Stars wie Katy Karrenbauer und Axel Prahl, den Schauspieler-Paaren Ann-Kathrin Kramer und Harald Krassnitzer oder Bettina Zimmermann und Kai Wiesinger. Sie alle wurden stundenlang von Maskenbildnerinnen verwandelt. Michael Gueth muss lachen, wenn er an Peter Nottmeier denkt. Der Kölner Comedian hatte nach seiner Fotosession einen eiligen Termin. „Wir bekamen die Silikonmasse nicht mehr rechtzeitig abgerubbelt. Teile davon hingen noch herunter, als er wegstürmte, wie bei einem Zombie.“
Wann hat er Lust, ein Gesicht zu fotografieren? „Ich muss den Menschen spannend finden“, antwortet Gueth. „Sonst wird es schwer, ein ausdruckstarkes Portrait zu machen.“ Bei Leon Löwentraut, dem jungen Malergenie, fiel ihm das leicht. Aber am berührendsten sei die Privataudienz beim Dalai Lama gewesen. „Seine Heiligkeit ist sympathisch und witzig, mit einer unglaublichen Ausstrahlung und Aura.“
Vermittelt wurde ihm der Auftrag auf skurrilem Weg – über den Staatspräsidenten von Kalmückien am Kaspischen Meer, der einzigen buddhistischen Republik der Föderation Russland. Kein Wunder, dass Gueth dachte, er würde veräppelt, als man ihn telefonisch bat, den Dalai Lama zu fotografieren.