Neugestaltung der Dorfstraße: Den Stein ins Rollen bringen
Planer Gerlach gibt Anstöße für eine Neugestaltung der Dorfstraße.
Büderich. „Als ich das erste Mal an der Dorfstraße war, wusste ich: Das wird nicht einfach.“ Professor Dr. Jürgen Gerlach, Inhaber des Lehrstuhls für Straßenverkehrsplanung an der Uni Wuppertal, nahm kein Blatt vor den Mund, als er am Mittwoch auf Einladung der BUND-Ortsgruppe Meerbusch zum Thema „Shared Space“ referierte. Er wolle einen Stein ins Rollen bringen, wie die Büdericher „ihrer“ Straße mehr Lebensqualität geben könnten.
„Eine Einbahnregelung ist sicher dann gut, wenn der übrige Verkehr in ein Loch fällt“, meinte Gerlach flapsig. Er ahne, dass Anwohner von Büdericher Allee und Friedenstraße Sturm laufen würden, sollte der Gegenverkehr über ihre Straßen rollen.
Jürgen Gerlach skizzierte stattdessen eine abgespeckte Variante des „Shared Space“ für die Dorfstraße. Das Konzept will, dass alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt in einem Verkehrsraum unterwegs sind. Diese Gemeinschaftsstraßen zeichnen sich dadurch aus, dass sie niveaugleich fast ohne Verkehrsschilder auskommen.
Der Verkehr läuft „umgebungsorientiert“, das heißt, jeder achtet auf jeden, egal ob Autofahrer, Radler oder Fußgänger — ähnlich wie in einem verkehrsberuhigten Bereich. Dazu sei ein rücksichtsvolles Verkehrsverhalten notwendig, unterstrich Gerlach. Und immer freie Sicht, was Parken ausschließe. Wenn es Ziel sei, alle Parkplätze unmittelbar vor den Geschäften zu erhalten, hätte ein Konzept wie das der Gemeinschaftsstraßen keine Chance.
Für die Dorfstraße kann er sich ein Modell mit zwei Abschnitten vorstellen. Im ersten Abschnitt, von der Moerser Straße bis zum Pfarrgarten, könnten auf der Fahrbahn rechts und links ein Schutzstreifen für Radfahrer markiert werden, so dass diese sicherer unterwegs seien. Am Ende des Abschnitts könnte ein kleiner Kreisverkehr Theodor-Hellmich-Straße und Pfarrgarten an die Dorfstraße anschließen.
Vom Pfarrgarten bis zum Brühler Weg solle der eigentliche Gemeinschaftsraum eingerichtet werden. Obwohl der Abschnitt teilweise eng sei, biete er Potenzial, meinte Gerlach. Rathaus, Geschäfte und Café würden zum Verweilen einladen. Der Straßenraum müsste platzartig gestaltet werden. Schwierig sei die Ausschilderung: Tempo 30 müsse gelten, unwahrscheinlich sei, dass auch Tempo 20 angezeigt werden könne.
Im Publikum, auch bei den Einzelhändlern, kamen diese Vorschläge überwiegend gut an. Allen war aber klar, dass solch ein Konzept nur funktionieren könne, wenn die Bürger es haben wollten und daran mitarbeiteten. Nicht zuletzt muss das Land als Baulastträger Zustimmung und Geld geben. Meerbuschs Planungsdezernent Just Gérard sagte zu, die Überlegungen in die politischen Beratung einfließen zu lassen.
In die Diskussion mischten sich aber auch Bedenken. Die Furcht der Einzelhändler: „Es darf keinen Frequenzverlust geben.“ Da wurde die Einrichtung einer Fußgängerzone in Osterath als Grund für ein Geschäftssterben angeführt. Büderich, so der Appell, solle doch nicht seinen Vorteil aus der Hand geben, der darin bestehe, dass die Geschäfte für Autofahrer gut erreichbar seien.
Dem konnte der Wuppertaler Verkehrsplaner Jürgen Gerlach entgegenhalten, dass sich der Betrieb auf Gemeinschaftsstraße der bisherigen Erfahrung nach nicht negativ auf den Einzelhandel auswirke: „Es werden mehr Radfahrer und Fußgänger den Bereich nutzen — bei gleichbleibendem Autoverkehr“, prophezeite der Experte.
Ein Fakt, mit dem alle Verkehrsplaner in Büderich umgehen müssen, ist der in manchen Abschnitten nur sehr begrenzt zur Verfügung stehende Raum. Gerlach ironisch: „Eine einfache Regelung wäre möglich, wenn man einige Häuser abreißen und Bäume fällen würde.“
Was der Professor aus Wuppertal grundsätzlich als Voraussetzung für die Gewinnung eines „Lebensraums Dorfstraße“ benannte: rücksichtsvolles Verhalten. Gutes Sozialverhalten und das Verhalten im Verkehr widersprächen sich in Deutschland oft.