Thema Radfahren in Meerbusch Das E-Lastenrad kann Autos innerorts ersetzen

Meerbusch · Hundebesitzer, Handwerker und Tagesmütter nutzen die aus den Niederlanden stammenden Bakfiets. Die Stadt will den Kauf solcher Räder demnächst fördern.

Mindestens einmal in der Woche geht es zum Bauern nach Kaarst oder nach Bösinghoven. Dann packt sich Tagesmutter Kirsten Wilken (45) „ihre“ Kinder im Alter von ein bis drei Jahren in und auf ihr Lastenfahrrad, und dann radeln die Sechs los. „Als vor einem halben Jahr Zuschüsse zur Anschaffung eine E-Lastenrades gezahlt wurden, habe ich mich gemeldet und mir dann ein Lastenrad für vier Kinder angeschafft“, erinnert sich Kirsten Wilken. Das fünfte Kind kommt in den Kindersitz auf dem Gepäckträger.

„Die Kinder lieben die Ausflüge zu Schweinen, Kühen und Alpakas, und sie können in ihrem Abteil herrlich miteinander über das Erlebte kommunizieren“, sagt Wilken, die seit elf Jahren als Tagesmutter arbeitet. Seitdem sie das E-Bike hat, ist das alte Lastenrad mit Kettenantrieb nicht mehr im Einsatz. „Unser Ausflugsradius hat sich durch den Motor enorm erhöht“, sagt Kirsten Wilken aus Osterath. Auch die Eltern finden es toll, dass ihre Jüngsten so viel an der frischen Luft sind.

Bestimmt einmal in der Woche ist das E-Lastenrad des Steinmetzbetriebes Lorenzen im Einsatz. „Für kleinere Teile in der näheren Umgebung ist das Rad einfach ideal“, resümiert Sandra Lorenzen. Robin Laschek (31) vom Fahrradfachgeschäft „Kettenantrieb“ in Büderich bestätigt die stetig wachsende Nachfrage nach Lastenrädern mit und auch ohne Elektrounterstützung. „Tagesmütter, Handwerker und Hundebesitzer informieren sich bei uns über die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten. Gerade für ältere Hunde ist der Einstieg über eine Tür in die Box sehr komfortabel“, erklärt der Fachmann den Einsatz bei Hundefreunden.

Tagesmutter Brigitte Littgen aus Osterath fährt mit den Kindern im Lastenrad auf Feldwegen manchmal bis nach Willich.

Foto: Littgen

Der Marktführer Babboe aus Holland bietet sogar ein rund 35 Kilogramm schweres Lastenrad für bis zu sechs Kinder an, die dann bequem auf Sitzen, gesichert mit Gurten, in der Box Platz finden. „Bei so einem hohem Gewicht ist natürlich eine Elektro-Unterstützung nötig“, sagt Robin Laschek. Wer sich jetzt im Lockdown für ein Lastenrad interessiert, sich im Internet kundig macht und die telefonische Beratung der Fahrradhändler in Anspruch nimmt, muss mit einer Lieferzeit von zwei bis fünf Monaten rechnen, denn das Fahrradfahren boomt in Pandemie-Zeiten.

Dawid Falda von der Fahrrad-Ecke in Osterath und in Büderich bestätigt die wachsende Nachfrage. Familien mit mehreren kleinen Kinder interessierten sich sehr für die erstaunlich wendigen Teile. Bei den fahrradliebenden Holländern ist das Bakfiets schon lange fester Bestandteil im Straßenbild. Junge Familien organisieren damit Ausflüge, Einkaufstouren und Fahrten ans Meer.

Bei Tagesmutter Brigitte Littgen aus Osterath ist immer ein kleiner Vorrat Reiseproviant mit an Bord. „Wenn wir mit unserem Rad auf dem Feldweg bis nach Willich unterwegs sind, habe die Kinder immer Hunger und Durst“, erzählt sie. Praktisch sei es, Äpfelchen und Möhren in der Fahrrad-Box für die vier Kinder bereit zu halten. „Dann ist für alle das Gleiche da, und es gibt unterwegs keinen Streit“, berichtet die 56-Jährige.

Auch sie hat sich im vergangenen Jahr um einen Zuschuss für die Anschaffung eines E-Lastenfahrrades bei den Stadtwerken beworben und den Zuschlag bekommen. „Mein altes Lastenrad, bei dem ich ordentlich treten musste, habe ich schon verkauft. Damit sollen Jüngere strampeln“, erzählt sie. Weder Brigitte Littgen, noch die Kinder und deren Eltern wollen die Ausflüge mit dem Lastenrad mehr missen. Die Kinder sitzen sicher angeschnallt in der Box und sind gespannt auf die Einkäufe beim Bauern in Bösinghoven. Dabei treffen sie meist noch Kirsten Wilken mit ihren Tageskindern. Die Freude ist dann bei den Jungen und Mädchen und auch bei den beiden Lasten-Radlerinnen groß.

Auch in der Politik sind die Lastenräder ein Thema. „Die Mobilitätswende ist dringend erforderlich“, sagt SPD-Fraktionschefin Nicole Niederdellmann-Siemes. „Unser Ziel ist es, möglichst viele Fahrten mit dem Auto innerhalb des Stadtgebiets zu vermeiden.“ Dabei seien Lastenräder mit oder ohne Motor eine gute Lösung. Sie berichtet: „Im vergangenen Jahr haben die Stadtwerke ein entsprechendes Förderprojekt angeboten, das ausgesprochen erfolgreich war. Innerhalb von zehn Tagen waren zehn Lastenräder weg. Das können wir als Stadt auch!“

Die SPD-Fraktion hat deshalb vorgeschlagen, dass die Stadt Meerbusch künftig den Kauf von Lastenrädern und Anhängern bezuschusst. Die Ratsfraktionen haben einstimmig beschlossen, dafür 50 000 Euro in den Haushalt einzustellen. Damit soll der Kauf von Lastenrädern für Selbstständige und Unternehmen mit nicht mehr als fünf Mitarbeitern, aber auch für Vereine und Privatleute bezuschusst werden.