Ärger um zu lange Schulwege

Weil die Stadt allen Kindern mit Gymnasialempfehlung einen Platz sichert, müssen sie teils erhebliche Wege erdulden.

Neuss. In Neuss wurde verhindert, dass Kinder mit einer Gymnasial-Empfehlung die Sekundarschule besuchen müssen. Mit dieser positiv formulierten Feststellung kommentiert Bürgermeister Reiner Breuer das Ergebnis des Anmeldeverfahrens für die weiterführenden Schulen, das Politikern wie Eltern im Neusser Süden allerdings die Zornesröte ins Gesicht treibt. Denn ausgerechnet das Quirinus-Gymnasium, das in der ersten Runde nur 75 Anmeldungen erhalten hat, soll nun nicht nur auf vier Klassen aufgefüllt werden, sondern sogar eine fünfte Eingangsklasse bilden — mit Kindern, die mit Masse aus Norf kommen und am dortigen Gymnasium nicht landen konnten. Eine unbefriedigende Situation, gibt Breuer zu. Doch sein Vorschlag, das Anmeldeverfahren noch einmal ganz neu in Gang zu setzen, war rechtlich nicht durchsetzbar.

Nun hagelt es Proteste. Von der Politik, wo es starke Befürworter dafür gibt, die zusätzliche Klasse dann doch als sechsten Zug am Gymnasium Norf zu platzieren. Von den 42 betroffenen Norfer Familien, die sich reihenweise mit Widersprüchen gegen das Losverfahren wehren, das bei der Auswahl der Bewerber keine Rücksicht auf Kriterien wie Wohnortnähe nimmt und ihren Kindern nun lange Busfahrten auferlegt. Kritik kommt aber auch von den Gesamtschulen, wo man nicht verstehen kann, warum die Stadt als Träger nicht zu ihrem Beschluss steht, an den fünf städtischen Gymnasien höchstens 21 Eingangsklassen zu bilden. Die Zusatzklasse, die nun mit Zustimmung der Bezirksregierung am „Quirinus“ entstehen soll, wäre der 22. Zug. Und das, wie Achim Fischer von der Janusz-Korczak-Gesamtschule betont, obwohl im gymnasialen System seines Wissens nach 120 künftige Fünftklässler ohne Gymnasialempfehlung sind. Diese trotzdem zur „Penne“ zu schicken, würde die Gesamtschulen schwächen, sagt Fischer, den ärgert, dass die Stadt in der Zeit, als die Gesamt- schulen abweisen mussten, nicht mit Kapazitätserhöhung reagiert hat.

Die Lage sei insofern besonders, sagt die Schulausschussvorsitzende Gisela Hohlmann (SPD), weil durch das Losverfahren viele Kinder auf die Liste für die Absagen kamen, die eine klare Gymnasialempfehlung mitgebracht haben. Da Eltern in diesem Fall ein Recht auf Schulformwahl haben, würde nun das „Quirinus“ aufgestockt. Einen Teil der Norfer Kinder zum Gymnasium Norf umzudirigieren und andere am „Quirinus“ zu belassen, würde Klagen nach sich ziehen, die, so Hohlmann, auch Aussicht auf Erfolg hätten. Also halte die Stadt an diesem Weg fest.

Sie finde die nun angestrebte Lösung unglücklich und könne die Aufregung der Eltern verstehen, sagt Hohlmann, doch kann die Politik das Thema nicht an sich ziehen. Das würde Waltraud Beyen (CDU) am liebsten versuchen, konnte aber zunächst nicht mehr tun, als die rechtliche Prüfung der Lage zu beantragen. In die Kritik stimmt auch der Schulpflegschaftsvorsitzende Hans-Peter Becker ein: „Zehnjährige quer durch die Stadt zu schicken, ist sinnfrei.“ Die Kapazität am Gymnasium Norf für den sechsten Zug sei da.