Archäologie: Die Burg des Erzbischofs gefunden
Während Kanalbauarbeiten Überreste der mächtigen Burganlage unter der Batteriestraße entdeckt.
Neuss. Als im Frühjahr unter der Batteriestraße ein Regenwasserkanal angelegt wurde, waren Sabine Sauer und Karin Striewe mit von der Partie. Hier mussten Reste der mittelalterlichen Stadtmauer zu finden sein, und deren Verlauf wollten die beiden Archäologinnen der Stadt anhand von Suchschnitten genau kartieren. Wenig überraschend, dass sie auf eben diese Überreste trafen. Dann aber tauchten etwa in Höhe des alten Marienberg-Gebäudes ganz untypische Mauerreste auf. Entdeckt haben sie, da sind die beiden Fachfrauen sicher, die Überreste der Burg von Konrad von Hochstaden. Und die war offensichtlich deutlich mächtiger angelegt als bisher vermutet.
Sabine Sauer, die in Neuss schon so manches Stück Stadtgeschichte freigelegt und so schnell nicht in Erstaunen zu versetzen ist, spricht von „einer Sternstunde für die Archäologie in Neuss.“
Stück für Stück arbeiteten sich die Archäologinnen an der Batteriestraße von Höhe des Marktes in Richtung Norden vor. Zunächst fanden die Reste der ältesten Stadtmauer, die um 1200 errichtet wurde, außerdem Überreste von Häusern, die gleichzeitig an diese Stadtmauer angebaut wurden — mit Zwischenraum errichtet, nicht wie die „Reihenhäuser“ des 13. Jahrhunderts. Ein Stück weiter dann tauchten Überreste eines quadratischen Turms auf, wie er auch auf dem Hogenberg-Plan des 16. Jahrhunderts am südlichen Rand des Stapelplatzes eingezeichnet ist. Hier landeten die Boote, die die Abgaben für das Stift St. Quirin brachten.
Etwa 20 Meter nördlich der heutigen Treppe zum Glockhammer stießen die Archäologinnen dann auf ganz ungewöhnliche Befunde. „Da hätte gar nichts mehr kommen dürfen“, sagt Sabine Sauer — die alte Stadtmauer lag an dieser Stelle acht Meter weiter westlich. Die Mauerreste aus Grauwacke und eine große vorspringende Verstärkung deuteten darauf hin, dass hier das Fundament für ein mächtiges Gebäude gestanden hatte. Noch in einer Tiefe von 3,65 Metern waren diese Fundamente festzustellen, „dann mussten wir aufhören“, so Sabine Sauer.
Immer unter Druck wegen der Kanalarbeiten stieß das Team Sauer/Striewe schließlich noch auf bleiverglaste Fliesen. „Mit vorgeritzten Linien“, sagt Karin Striewe: Die dienten den damaligen Fliesenlegern nach der „Ritter-Sport-Methode“ zum exakten Abbrechen der Stücke.
Mächtige Fundamente direkt am damaligen Rheinufer, teures Mauerwerk, hochwertige Fliesen und zwölf Meter weiter noch einmal Mauerreste — die Burg des Konrad von Hochstaden war gefunden. Für Sabine Sauer steht nun fest: Der Kölner Erzbischof, zeitweise der mächtigste Reichsfürst seiner Zeit, hatte seine Burganlage direkt an das Rheintor angebaut, das ihm bereits gehörte. Die Burganlage erstreckte sich dann bis zum Glockhammer. Zur Stadtseite hin gab es einen Graben: Der Landesherr wollte sich auch gegen „seine“ Neusser Bürger schützen. Und auch die Lage direkt am Rhein war mit Bedacht gewählt: So konnte der Erzbischof auch von „seinen“ Kölner Kaufleuten Zölle erheben.
Lange allerdings hatte die große Burg nicht Bestand. Ende der 40er Jahre des 13. Jahrhunderts gebaut, gestattete der Erzbischof den Neussern schon 1255 den Abriss. Er reagierte damit auch auf den politischen Druck des neu gegründeten Rheinischen Städtebundes. Seine opulente Burg verschwand — fast spurlos.