Autor spricht über „Lückenpresse“
Ulrich Teusch legt beim „Dialog Zukunft“ seine Sicht der Medien dar.
Kaarst. Sein Buch „Lückenpresse — Das Ende des Journalismus, wie wir ihn kannten“ möchte Autor Ulrich Teusch als eine „linke Medienkritik“ verstanden wissen. Und weil er selbst sagt, dass durch die Kritik im Buch das Positive nicht so sehr deutlich werde, tourt er durch die Republik, um in Vorträgen das zu verdeutlichen, worum es ihm eigentlich geht: guten Journalismus. Das sei ihm wichtig zu betonen, weil medienkritische Ansätze oft in eine „rechte Ecke“ gestellt würden. Es gebe aber auch eine viel breitere und ernster zu nehmmende Medienkritik, der sich Teusch — selbst Journalist für etablierte Medien — verbunden fühlt.
Sein Buch richtet sich an zwei Zielgruppen: Zum einen die Empfänger, die bereit sind, differenziert zu urteilen und nicht einfach Lügenpresse schreien. Und zum anderen sollen die Kollegen erreicht werden, die die Probleme ähnlich sehen wie er. Teusch: „Meine Idee wäre, dass sie sich mit den differenzierungswilligen Kritikern verbünden, um eine Veränderung zu erreichen.“ Eine Veränderung, die unbedingt notwendig sei, weil guter Journalismus durch die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte in Gefahr sei. Aber was versteht er unter gutem Journalismus? Objektivität? Neutralität? Grundsätzlich glaubt Teusch, dass es den absolut objektiven, den neutralen Journalismus nicht geben kann. „Wir alle haben eine Perspektive, die wir, selbst wenn wir es versuchen, nie 100-prozentig überwinden können.“
An diesem Punkt komme die Utopie, oder, „wie ich mir ein Mediensystem vorstelle“, ins Spiel, sagt Teusch. „Mir geht es kurz gesagt um multiperspektivischen Journalismus, ganz konsequent. Mit verschiedensten Blickwinkeln. Und es geht um diskursiven Journalismus. Medien haben die Aufgabe, ein Forum zu bieten oder — ganz pathetisch —, den gesellschaftlichen Diskurs zu organisieren, die Gesellschaft mit sich selbst ins Gespräch zu bringen, und zwar auf breitest möglicher Basis.“
Für ihn bedeutet das, Menschen einzubeziehen, deren Positionen einem vielleicht unbehaglich sind. „Ich glaube auch, dass wenn wir diese mediale Darbietung in den vergangenen zwei, drei Jahrzehnten in unserem und anderen Ländern gehabt hätten, dann hätten wir vielleicht manche Probleme, die wir heute beklagen, nicht.“ Wenn Medien konsequent multiperspektivisch und diskursiv handeln, auf breitest möglicher Basis berichten und kommentieren würden, sei das ein Beitrag zum inneren und äußeren Frieden. Von diesem Ideal seien die Mainstream-Medien aber weit entfernt. Den Begriff Lügenpresse teile er nicht, „ich spreche von Lückenpresse, was zunächst mal vollkommen unproblematisch ist, weil man einfach nicht über alles berichten kann und es ja sogar die Aufgabe von Medien ist, auszuwählen, was sie bringen und was nicht.“
Das eigentliche Problem sei, dass immer öfter die gleichen Lücken entstehen, die zu einer gewissen Verengung des Diskursspektrums führten. Das werde zwar durch das Internet und eine große Zahl alternativer Medien — etwa in Form von Blogs oder Spartensendern — aufgefangen, aber von vielen etablierten Medien als Gefahr betrachtet. „Eigentlich sollten sie es als Ansporn sehen, sich nun bewähren zu können, anstatt die alternativen Medien zu bekämpfen.“