Café Ausblick: Anlaufstelle in der Kälte
Von der Schlafstelle am Tüv führt der Weg oft direkt an die Breite Straße.
Neuss. Es ist warm im Café Ausblick. Draußen zeigt das Thermometer in der Sonne minus 5 Grad, in der Nacht war es deutlich kälter. Viele von denen, die sich jetzt an der Breite Straße aufwärmen, Kaffee trinken, rauchen und auf die Erbsensuppe warten, haben die Nacht am Derendorfweg verbracht, am „D-Weg“, wie es hier heißt. In der Notschlafstelle der Stadt müssen alle um 7.30 Uhr gehen, oft führt der Weg dann geradewegs zum Café: Hier geht es um 8 Uhr los.
Die meisten der Gäste im Café Ausblick haben keine Wohnung. Aber auch die, die noch zum Schlafen „nach Hause“ gehen, leben in prekären Verhältnissen. Werner Hein, Leiter der offenen Einrichtung der Caritas seit ihrer Gründung im Jahr 1986, kennt fast alle. Hier zeigt sich, was „niederschwellig“ bedeutet: Kommen darf jeder, niemand wird ausgefragt.
Frühstücken kann man für einen Euro, Mittagessen gibt’s für 1,50 Euro. Und wenn jemand nicht zahlen kann? „Weggeschickt wird natürlich niemand“, sagt Hein. Aber vielleicht werde das zum Einstieg erst in ein Gespräch, dann in eine Beratung. Die bieten Hein und sein kleines Team allen an, die das wollen.
Hilfe beim Formularausfüllen, bei Behördengängen, Aufklärung über das, was dem Einzelnen zusteht, Kontakte bei der Wohnungssuche: „Und wenn der Werner noch selbst mit aufs Amt geht, dann läuft es auch“, sagt ein Café-Besucher. Hilfe auf dem Weg durch den Dschungel der Sozialgesetzbuch-Bestimmungen nennt Hein das.
Auch einer, den hier alle „Emi“ nennen, kann dem Prinzip des Ausblick nur Gutes abgewinnen. „Hier wirst du in Ruhe gelassen. Und wenn du Hilfe brauchst, gibt es die auch“, sagt der 31-Jährige. Er ist nach einem Streit mit seiner Frau vor zwei Monaten aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen, seitdem schläft er am Derendorfweg. Und ist täglich im Café Ausblick.
In der Kälte muss er jetzt die Zeit von 15 Uhr, wenn das Café schließt, bis um 17 Uhr, der vorgezogenen Öffnungszeit am Tüv-Gelände, überbrücken. „Manche von uns gehen in die Bibliothek. Da ist es warm, und man kann Zeitung lesen.“ Was andere tun, darüber mag er nicht unbedingt reden. Dass die Schlafstelle außerhalb des Winters erst um 20 Uhr öffnet, können er und viele andere Besucher im Café nicht verstehen.
Werner Hein ist oft am D-Weg. Die Zusammenarbeit mit der Stadt sei gut, sagt er, die Angebote seien generell gut vernetzt. „Ich weiß von niemandem, der jetzt noch draußen übernachtet.“
Er hat beobachtet, dass es zunehmend schwerer wird, für die Obdachlosen Wohnungen zu finden. Dass der neue „grundsicherungsrelevante Mietspiegel“ die Mietgrenzen senkt, lässt Hein nur den Kopf schütteln. Diese Wohnungen sind in Neuss einfach nicht da, sagt er.
Im Café bereitet Yvonne Schendel derweil die Erbsensuppe zu. Die Ausblick-Köchin bewältigt 50 Portionen jeden Tag, am Donnerstag gab es Schweinebraten. Auch sie kennt fast jeden. „Immer mal wieder sagt einer ’gut gekocht heute’. Das freut einen doch richtig“, sagt sie. Noch zwei Stunden können die Besucher die Wärme ausnutzen. Dann geht es wieder hinaus.