Der Weg zum Stromproduzenten
SWN wollen bis 2019 mindestens 20 Prozent des in Neuss verkauften Stroms selbst erzeugen.
Neuss. Die Stadtwerke beteiligen sich über das Unternehmen Thüga Erneuerbare Energien an zwei Windparks in Rheinland-Pfalz. Der Schelmrather Hof in Hoisten, auf dem Biogas produziert wird, verdoppelt seine Kapazität. Eine zweite Fotovoltaikanlage ergänzend zu der auf dem SWN-Dach an der Moselstraße soll die Leistung vervierfachen. Nachrichten aus dem Stadtwerke-Haus, die für eine vielschichtige Strategie stehen: Die SWN werden vom reinen Versorger zunehmend zum Stromproduzenten — in Neuss und außerhalb.
Stephan Lommetz, Geschäftsführer der SWN und Aufsichtsratsmitglied in der Thüga Erneuerbare Energien, fasst die Strategie allerdings noch weiter. Es gehe auf dem Weg zur Energiewende darum, die erneuerbaren Energien stärker zu nutzen, Primärenergie effizienter einzusetzen und schließlich Energie überhaupt zu vermeiden.
Dazu entwickelt die Stadtwerke-Tochter german contract Lösungen — bundesweit. Bei effizienterer Nutzung setzen die Stadtwerke auf Kraft-Wärme-Kopplung und nutzen verstärkt auch kleinere Blockheizkraftwerke.
Doch die SWN produzieren auch selbst Strom. Noch liegt der Anteil bei etwa 10 Prozent, das Ziel, 2009 formuliert, ist die Marke von mindestens 20 Prozent bis zum Jahr 2019. Doch Lommetz ist überzeugt: „Das schaffen wir eher.“ Nicht zuletzt die aus Berlin verfügte Energiewende hat zusätzlichen Druck geschaffen.
Generell geht der Trend hin zu dezentralen Anlagen, davon profitieren die Stadtwerke — auch in Neuss. In der Stadt selbst zählt die Biogasanlage in Hoisten nach wie vor als Vorzeigeprojekt. Dort produzieren zwei Landwirte Biogas, die SWN bringen es auf Netzqualität und speisen es ein: Nach der Ausweitung der Kapazitäten wird die Menge rein rechnerisch zur Versorgung von etwa 2000 Haushalten reichen. Das Biogas versorgt die Blockheizkraftwerke in den Neusser Bädern und die Ölmühle Plange im Hafen. Der Betrieb der Landwirte wächst, doch sind dem wegen des Flächenverbrauchs natürliche Grenzen gesetzt.
Kleiner in der Dimension ist die Stromerzeugung über Stadtwerke-eigene Fotovoltaik-Anlagen. Nach Inbetriebnahme einer neuer Anlage sollen bald 450 000 Kilowattstunden erzeugt werden; ausreichend Strom für etwa 200 Haushalte.
Windkraft zu nutzen ist zwar ergiebiger und effizienter, doch liegt Neuss nicht gerade in einer Starkwindzone. Dennoch: Die Stadtwerke wollen erstmals in Neuss ein oder zwei eigene „Windkraft-Spargel“ erwerben.
Im deutlich größeren Stil engagieren sich die SWN außerhalb der Stadt. Über die Green Gecco hat sie bereits Beteiligungen an zwei Windparks in Schottland und Norddeutschland erworben, jetzt kommen — als Gesellschafter der Thüga Erneuerbare Energien — Anteile an zwei weiteren Windparks hinzu. Noch verhandelt wird derzeit über ein reines Stadtwerke-Windkraftprojekt in Niedersachsen: Es gehe dort um einen „kleinen zweistelligen Millionenbetrag“ an Investitionen, sagt Stephan Lommetz.
Wird auch dieses Projekt umgesetzt, seien erst einmal „alle Positionen besetzt“. Lommetz spricht von der Strategie der kleinen Schritte. Von vielen Stadtwerken umgesetzt, werden sich so die Gewichte der Stromproduktion in Deutschland verschieben. Die Masse der Stadtwerke wird zur Konkurrenz der großen Konzerne — doch Stephan Lommetz vermeidet das Feindbild: „RWE und wir sind gleichzeitig Partner und Konkurrenten. In unserem Aufsichtsrat hat RWE jedenfalls noch nie ein Projekt blockiert.“