Fackelzug: Wir angeln uns einen Bürgermeister

Von bissig bis bunt: 99 Mottowagen zogen am Samstag durch das nächtliche Neuss. Der Lohn: Viel Applaus.

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Neuss. Es scheppert, kracht, die Geschütze donnern: 27 Böllerschüsse eröffnen am Samstag auf dem Wendersplatz lautstark das 176. Bürger-Schützenfest. Doch zum Abend steigt die Sorge, dass es ordentlich nass werden könnte, noch nach 19 Uhr versinkt Neuss im Regen. Dann kommt es, wie es sein muss: Mit Beginn des Fackelzugs nieselt es nur noch und bis auf ein paar Tropfen bleibt es trocken.

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Den wahren Schützenfan kann ein bisschen Regen sowieso nicht schrecken. Gut gelaunt und bestens ausgerüstet drängen die Besucher mit Schirmen, Ponchos oder der Zeitung als Sitzkissen auf die Tribünen.

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Fast pünktlich biegt um 20.53 Uhr die erste von 99 Großfackeln auf den Markt ein. Der Grenadierzug „Santa Lucia“ hat das Sicherheitskonzept und die Pferdeproblematik thematisiert. Damit greifen die Schützen den neuen Weg des Wackelzugs auf, ähnlich wie später auch der Schützenlust-Zug „Erste Güte“. Der aufwendige Motivwagen wird mit reichlich Applaus bedacht: Er zeigt eine überdimensionale Lasagne, aus der sich ein Pferdekopf schiebt, garniert mit Basilikum: „Lasagne geht auch ohne Pferde — wie der Wackelzug“, heißt es auf dem Transparent. R(h)einrassige (Kneipensterben) und De Wonneproppe (Geisterparadenjäger) unken, dass der Wackelzug bald zum Geisterzug wird. Bei „Ewig jung“ macht der Zug einen großen Bogen um Erft- und Hamtorstraße.

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Einmal mehr nehmen die Wagenbauer das politische Geschehen der vergangenen Monate aufs Korn. Von bissig bis bunt ist alles dabei. Die aufwendig gestalteten Fackeln bestechen in diesem Jahr durch besonders originelle Einfälle. Allen voran die leuchtende Königskutsche: „Heute rollt King Reuß im Rolls durch Neuss.“ Der Schützenkönig kann natürlich nicht selbst in der Karosse der Läppkesspöler Platz nehmen, Rainer III. dankt gerührt mit breitem Lächeln.

Foto: Stefan Büntig
Fackelzug zieht durch Neuss
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Lokal- und bundespolitisch ist die Ansiedlung des Möbelhauses Höffner ein Thema („Wisse Röskes“), der Klimawandel und in seiner Folge die Wiederkehr der Dinosaurier („Liebe Jungens“) sowie die Pläne der Bundesministerin für eine familienfreundliche Bundeswehr („Nüsser Sprösslinge“). Auch oft gewählt: das Theater um den Berliner Flughafen. „Die Scheinheiligen“ ziehen eine Parallele zum Turm von Pisa: „Schief gehen kann so schön sein.“ Der Jägerzug „In Treue fest“ ist sich sicher: „Von dem Geld hätten wir Mallorca kaufen können.“

Zu den lokalen Themen zählt neben der Jröne Meerke, Orkan Ela oder der verlebten Innenstadt die anstehende Bürgermeisterwahl. Nickel, Rosen und Breuer: „Wir angeln einen Bürgermeister“ heißt es bei den Fetzigen Nüssern.

Während „In Treue fest“ den Grenadier als „Supergrenie“ feiert, nutzt der „Flaschenzug“ das „Edelgas“ des Grenadiers nach zu viel „Söhngen Alt“ fürs Neuss Fracking.

Bei der Großfackel von D’Maat erop versagt ausgerechnet op de Maat die Technik. „Das ist das Blödeste, was passieren kann“, ereifert sich ein Zuschauer auf der Tribüne. „Mit den LEDs ist aber vieles einfacher geworden als bei uns mit den ganzen Batterien damals“, erzählt der Mann munter drauf los.

Die NSA war wohl nicht für den Licht-Ausfall verantwortlich, auch wenn die Schützen sich des Themas kritisch annehmen („Steinadler“, „Treu zur Vaterstadt“). Die NSA ist total verwirrt, sie hat die Neusser Korpsbefehle abgehört („Jagdhorn“).

Skandal-Bischof Tebartz-van Elst badet in einer goldenen Wanne ohne Seife. „In der Kirchensteuer badet so manches Ungeheuer“, texten die „Hippeböck“ schön böse. Die Hönesse im Regiment haben haben im Gegensatz zu ihrem bayerischen (Fast-)Namensvetter keinen Ärger mit dem Fiskus („Treue Heimat).

Gern illustriert wird auch die WM. Besonders schön umgesetzt ist die Idee von Lott Jonn: „Nach der WM ist vor dem Schützenfest.“

Gefackelt wird sowieso nicht lange: Nach dem Umzug stürzen sich die Schützen rein ins Fest-Vergnügen.