Gewerbesteuer-Segen birgt Risiken
Die 152-Millionen-Euro-Zahlung könnte dazu führen, dass die Stadt Neuss am Ende sogar draufzahlen muss.
Neuss. Der 152 Millionen Euro schwere Steuerschatz, der der Stadt Neuss förmlich in den Schoß gefallen ist, muss möglicherweise noch den Gesetzgeber beschäftigen. Bürgermeister Reiner Breuer jedenfalls zeigt sich entschlossen, den Innenminister einzuschalten, sollte die Stadt am Ende irrwitzigerweise sogar draufzahlen müssen. „Ich stehe Gewehr bei Fuß“, sagt Breuer, dem die Systematik der Umlagefinanzierung im Land nicht einleuchten will.
Es könne ja nicht sein, argumentiert er, dass die Stadt allein aufgrund des Eingangs dieser Gewerbesteuer-Vorauszahlung fast die Hälfte der Summe abgeben muss, während sie im Falle einer Rückzahlungsaufforderung dieses abgeflossene Geld verloren geben müsste. Dieses Szenario beschreibt das größte Risiko, das mit dieser Steuerzahlung verbunden ist. Erst eine Betriebsprüfung der Finanzbehörden mit Taxierung der wirklichen Steuerschuld könnte es ausschalten. Die Hoffnung, für die heutige Ratssitzung etwas mehr Klarheit in der Frage zu bekommen, ob und wie viel von dem Geld am Ende bei der Stadt bleibt, erfüllt sich nicht. Das bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young in Auftrag gegebene Gutachten liegt noch nicht vor. Erst für Ende Mai konnte ein Termin mit der Finanzverwaltung Mönchengladbach verabredet werden, teilt die Stadt mit.
Weil damit vor dem wichtigen Stichtag 30. Juni keine Gewissheit über die tatsächliche Steuerschuld der Firma Johnson & Johnson, die sich als betroffener Großsteuerzahler zu erkennen gab, herrschen wird, läuft das weitere Verfahren automatisch weiter. „Wahrscheinlich unvermeidlich“, wie Kämmerer Frank Gensler nüchtern feststellt, heißt das zunächst einmal, dass die Stadt zum 1. August „teilen“ muss: 11,7 Millionen sind als „Allgemeine Gewerbesteuerumlage“ an das Land abzuführen, noch einmal 11,2 Millionen Euro zahlt Neuss über den Solidarpakt an finanzschwächere Kommunen.
Aber auch 2018 muss Neuss „blechen“. Denn zur Berechnung der städtischen Steuerkraft für 2018 werden die Werte aus dem Zeitraum 1. Juli 2015 bis 30. Juni 2017 herangezogen — also inklusive Steuerschatz. Ändert sich sonst im Kreisgefüge nichts, werden zusätzliche 45,6 Millionen Euro an Kreisumlage fällig, während der Solidarpakt von der steuerstarken Stadt mit weiteren 10,6 Millionen Euro zu bedienen wäre.
Weil die Steuerkraft der Stadt Neuss — die Vorauszahlung hat das Gewerbesteueraufkommen für dieses Jahr fast verdoppelt — Auswirkungen auf die Finanzsituation des Kreises hat, hatte Landrat Hans-Jürgen Petrauschke im Kreisausschuss vorgerechnet, dass sich der Kreishaushalt 2018 um 1,3 Millionen Euro verschlechtern könnte. Denn die Zahlung aus Neuss wird durch entfallende Schlüsselzuweisungen des Landes (39 Millionen Euro) und gleichfalls ausgelöste höhere Abgaben an den Landschaftsverband (14,2 Millionen) mehr als aufgezehrt.
Diese Rechnung, schimpft Bürgermeister Reiner Breuer, sei nun wirklich noch mit sehr vielen Fragezeichen zu versehen. Für ihn gibt es für Petrauschkes Vortrag vor den Kreispolitikern nur eine Erklärung: „Das ist eine reine Wahlkampfstimmungsmache, die sich der Landrat da erlaubt.“