Grevenbroich: Neustart vor dem Rentenalter

Praktikum: Über 50-Jährige können mit Starthilfe von drei Bildungsträgern den Wiedereinstieg in die Berufswelt schaffen.

<strong>Grevenbroich. Margit Scholz hat in ihrem Leben viel gearbeitet. Nach der Geburt ihres ersten Sohnes - damals war sie 17 Jahre - hat sie Einzelhandelskauffrau gelernt und ein eigenes Blumengeschäft in Düsseldorf geführt. Insgesamt vier Kinder hat sie derweil allein großgezogen. Fünf Jahre hatte sie eine Gaststätte in Düsseldorf, sechs Jahre lang in Spanien, dann wurde ihre Mutter krank und sie pflegte sie bis zu ihrem Tod vor einem halben Jahr. Obwohl ihre Mutter mit Pflegestufe 3 viel Hilfe brauchte, hat sich Margit Scholz weiter beworben. "Überall", sagt sie. Vom Krankenhaus bis zur Spielhalle - niemand wollte die 57-Jährige, die so viel geschafft hat in ihrem Leben, zum Bewerbungsgespräch einladen. Nun macht sie seit zwei Wochen ein Praktikum im ambulanten Dienst, bekocht und betreut alte Menschen in deren Zuhause. "Ich hoffe sehr, in der Pflege eine Stelle zu finden, denn die Arbeit ist genau das Richtige", sagt Margit Scholz.

Möglich wurde der Einstieg in das Praktikum durch ein Modellprojekt der ARGE Rhein-Kreis Neuss. Unter dem Titel "NeuStart" sollen Über-50-jährige Langzeitarbeitslose wieder in die Berufswelt finden. Drei Bildungsträger übernehmen die Betreuung und Vermittlung der Freiwilliegen. "Einzigartig dabei ist, dass durch die Trägerschaft der Berufshilfe der Arbeiterwohlfahrt, des Internationalen Bundes und des Technologiezentrums Glehn alle Berufssparten abgedeckt sind, von Pflege über Gewerbe bis hin zu Handwerk und Verwaltung", sagt Hans-Theo Vander, Teamleiter bei der ARGE.

Die erste Phase des Projekts dient daher der ersten Orientierung. "Manche möchten in ihren Beruf zurück, andere sehen darin keinen Sinn und finden neue Interessen", sagt Ingrid Jordt von der Berufshilfe der Awo. In Einzel- und Gruppengesprächen werden Kompetenzen erforscht, Bewerbungsunterlagen geprüft, mögliche Praktikumsbetriebe besucht und in einer intensiven Unterrichtsphase fehlende Qualifikationen individuell nachgeholt. Die 60 Teilnehmer des Modellprojekts starten nun in die zweite Phase: Praktikum und berufsspezifische Weiterbildung. "Einige bleiben die kompletten 8 Monate der zweiten Phase in einem Betrieb, andere wechseln oder probieren einen ganz anderen Beruf", sagt Susanne Herster vom Technologiezentrum Glehn.

In der dritten Phase hat der Teilnehmer ein klares Ziel vor Augen: einen Arbeitsvertrag. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht, denn Arbeitgeber lernen ältere Mitarbeiter wieder schätzen: "Die Motivation ist eine andere, die Lebenserfahrung größer, die Älteren sehen die Arbeit und packen sie an, sie sind pünktlich und zuverlässig", fasst Simone Stumpp vom Internationalen Bund die Erfahrungen der Arbeitgeber zusammen.

Bis September läuft das Modellprojekt, dann wird über eine Fortführung entschieden.