„Ich werde dich sowieso töten“

Im Prozess wird einem 2017 gefassten Neusser (47) vorgeworfen, mehrfach auf seine Stieftochter geschossen zu haben.

Neuss. Für die Staatsanwaltschaft steht fest: Der Verdächtige wollte töten. Deshalb droht ihm bei einer Verurteilung womöglich eine lebenslange Haftstrafe. Wegen versuchten Mordes aus niedrigen Beweggründen und lebensgefährlicher, körperlicher Misshandlung mit einer Waffe muss sich ein 47-jähriger Neusser vor dem Düsseldorfer Landgericht verantworten. Ihm wird vorgeworfen, am 4. Oktober vergangenen Jahres auf dem Lindenplatz in Weckhoven mehrere Schüsse auf die Tochter seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau abgegeben zu haben. Ein Projektil erwischte die damals 25-Jährige an der Schulter.

Trotz sofort eingeleiteter Fahndung konnte der Flüchtige zunächst nicht gefasst werden. Auf dem Flughafen im belgischen Charleroi klickten vier Tage später dann aber die Handschellen. Bei der Rückreise aus der Türkei wurde der verdächtige Neusser an der Passkontrolle aufgrund eines internationalen Haftbefehls festgenommen.

Foto: Woitschützke/Polizei (unten links)

In der 22-seitigen Anklage wird die Tat so rekonstruiert: Der Angeklagte trifft an jenem Mittwoch um etwa 15.30 Uhr auf seine Ehefrau, die gerade den gemeinsamen Sohn von der Schule abholt. Es kommt zum Streit, bei dem der Verdächtige gedroht haben soll, „die ganze Familie auszulöschen“. Nach der verbalen Auseinandersetzung soll die Frau zur Polizei gegangen sein.

Währenddessen, um 16 Uhr, soll sich der 47 Jahre alte Neusser auf den Weg zur Wohnung seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau gemacht haben. Dort gab er laut Anklage aus fünf Metern Entfernung mehrere Schüsse auf die Tochter ab, verfehlte jedoch das Opfer zunächst. Die 25-Jährige versuchte zu fliehen, am Lindenplatz soll der mutmaßliche Täter dann zwei weitere Schüsse abgegeben haben, wovon einer seine Stieftochter traf. „Ich werde dich sowieso töten“, soll er gerufen haben. Zusammengebrochen war die Frau auf der kleinen Wiese zwischen der St.-Nektarios-Kirche und einem Gedenkstein. Anwohner aus einem direkt angrenzenden Reihenhaus hätten sich zuerst um die Frau gekümmert. Das hatten damals Zeugen berichtet.

Die 25-Jährige ist nach Angaben ihrer Anwältin Dagmar Loosen dauerhaft geschädigt. Ihre Hand könne sie aufgrund einer beschädigten Nervenbahn nicht anheben. Ein Jahr Studienzeit habe sie verloren und die geplante Hochzeit musste verschoben werden.

Aus der Anklageschrift geht auch die mögliche Motivation des Angeklagten hervor. So habe er die Trennung von seiner Ehefrau nicht verkraftet. „Zu der Geschädigten selbst hatte er gar kein Verhältnis“, sagt Elisabeth Stöve, Sprecherin des Düsseldorfer Landgerichts. In der Anklage ist von einem „bewusstem Abreagieren von frustrationsbedingten Aggressionen des Täters an einem unbeteiligten Opfer“ die Rede.

An den ersten beiden Prozesstagen wurden bislang unter anderem die Anklageschrift sowie Berichte der Spurensicherung verlesen. Die Verhandlung wird am Dienstag, 8. Mai, fortgesetzt.