In fünf Jahren besserer Branchenmix
WZ-Interview: Thomas Toll, Vorsitzender des City-Treffs, zur Entwicklung in der Innenstadt, Chancen und Risiken.
Westdeutsche Zeitung: Herr Toll, wo steht der Einzelhandel in der Neusser Innenstadt im Frühjahr 2007? Thomas Toll: Wir sind mitten in großen Veränderungen. In den vergangenen Jahren wurde ja öfters negativ berichtet. Dass es zum Beispiel zu viele Handyläden gibt oder zuviele Bäckereien. Das ist auch zu bemängeln. Aber jetzt ist einiges in Bewegung gekommen. WZ: Zum Beispiel? Toll: Drei Ein-Euro-Läden haben zum Jahresende dicht gemacht. Es gab Neueröffnungen wie Jack & Jones, Only und die Mayersche Buchhandlung. Auch der Umzug von Douglas ist eine Aufwertung und die Vermietung des Sinn-Leffers-Gebäuden an H & M. Und nicht zuletzt der Neubau des Schuhhauses Toll. Dies alles zeigt doch, dass die Stadt ein großes Potenzial hat.WZ: Was kann oder könnte der City-Treff leisten? Toll: Er kann Stimmen bündeln. Eine große Aufgabe ist natürlich die Lobby-Arbeit mit der Verbindung zur Politik. Es ist entscheidend, dass der ortsansässige Handel mit einer Stimme spricht. WZ: Und die Filialisten? Toll: Die meisten sind leider nicht interessiert an einer Zusammenarbeit. Aber es gibt auch Ausnahmen, den Kaufhof zum Beispiel, C & A, Strauss und die Mayersche. WZ: Sind Sie zufrieden mit der Arbeit des City-Treffs? Toll: Jein. Bei meinem Start als Vorsitzender vor eineinhalb Jahren habe ich gedacht, ich könnte wesentlich mehr durchsetzen. Aber einiges hat funktioniert und manches nicht. WZ: Was sind die Erfolge? Toll: Wir haben es geschafft, die Weihnachtsbeleuchtung zu etablieren, das war ein Kraftakt. Und wir sind wieder schuldenfrei. Sehr gut ist auch, dass wir uns auf Kernöffnungszeiten geeinigt haben, die auch weitgehend eingehalten werden. Und wir haben das Europafest mit einem verkaufsoffenen Sonntag am 5. und 6. Mai neu organisiert. WZ: Ein kleiner Service, bitte: Wie sind denn die Kernöffnungszeiten?Toll: Montags bis donnerstags von 9.30 bis 19 Uhr, samstags von 9.30 bis 18 Uhr. WZ: Hätten Sie sich nicht eine Öffnungszeit bis 20 Uhr gewünscht? Und was ist mit dem langen Donnerstag? Toll: Nein, bis 20 Uhr, das muss wirklich nicht sein. Der lange Donnerstag ist fehlgeschlagen, das haben wir nur zwei Wochen durchgehalten. Wir werden vor Weihnachten noch einen Versuch starten. WZ: Im vergangenen Jahr gab es großen Ärger, weil an dem von Ihnen beantragten verkaufsoffenen Sonntag zu St. Martin die versprochenen Aktivitäten gar nicht stattfanden. Toll: Das haben wir uns zu einfach vorgestellt. Die Reaktionen auf meinen Plan, am Sonntag einen Martinszug zu veranstalten, waren ja so, als wollte ich das Schützenfest verlegen. Da bin ich völlig gescheitert. Die Schulen und Vereine haben sich aus verschiedenen Gründen kaum beteiligt. WZ: Die Konsequenz ist jetzt aber, dass es in Neuss weniger als die gesetzlich möglichen vier verkaufsoffenen Sonntage geben wird, oder? Toll: Zwei sind genehmigt, für das Europa- und das Hansefest. Wir möchten auch wieder einen Martins-Sonntag und am 2. Advent öffnen. Ich hoffe, dass der Rat dies noch genehmigen wird. WZ: Das Thema für den Einzelhandel in der Innenstadt ist das künftige Einkaufszentrum. Wird das Chance oder Bedrohung des innerstädtischen Einzelhandels? Toll: Das ist generell gar nicht zu sagen, man muss sich beide Varianten im Detail ansehen. Eigentlich brauchte Neuss das gar nicht. Eigentlich. Wenn wir die Linie 709 aus der Innenstadt raus hätten und es ein wirklich professionelles City-Management gäbe, dann könnten wir am Büchel und an der Niederstraße eine richtige Mall haben. Aber das ist wohl ein wenig unrealistisch. WZ: Realistisch ist, dass es bald ein Einkaufscenter geben wird. Ist der City-Treff für die kleine Lösung Kastell-Center oder die große Variante City-Arkaden? Toll: Kleine Lösung hört sich ja fast gemütlich an. Man muss aber wissen, dass beide Investoren von einer etwa gleichen Größenordnung zusätzlicher Verkaufsfläche ausgehen, nämlich 8000 Quadratmeter. Für mich spricht gegen das Kastell-Center vor allem, dass es eine Sackgasse ist. Es endet am Neumarkt. WZ: Also die City-Arkaden mit 30 000 Quadratmetern Verkaufsfläche? Toll: Ja, bei diesem Modell ist auch die Anbindung an die Fußgängerzone besser. Man muss aber vertraglich festlegen, dass es nicht mehr wird. 30 000 Quadratmeter sind die absolute Obergrenze. Und der Rat muss auf die Architektur achten. Wir wollen kein Ufo in der Innenstadt. WZ: Ein Center in Neuss, gleichzeitig entstehen die Bilk-Arkaden in Düsseldorf, das ECE-Center in Mönchengladbach . . . Toll: . . . und das Center in Duisburg ist im Bau, ebenso das in Essen, die Neue Mitte wird erweitert. WZ: Wie sollen denn noch Kunden aus dem Umland angezogen werden? Toll: Es geht uns doch vor allem darum, die Neusser Kundschaft zu halten. Und da gibt es auch Konkurrenz in der Stadt selbst, das Huma-Center zum Beispiel wird komplett modernisiert. An der Moselstraße tut sich was. Im Umland und in der Stadt drängt die Konkurrenz. Die Zeit drängt. WZ: Also ein Center, um die Kunden vom Abwandern abzuhalten? Toll: Ja, aber da reicht das Center alleine nicht. Wir müssen insgesamt eine atmosphärische und attraktive Einkaufszone schaffen. Das geht übrigens nur ohne die Straßenbahn. WZ: Wie wird die Neusser Innenstadt in fünf Jahren aussehen? Toll: Das hängt ab von der Entscheidung über das Center, über die Linie 709, von der Schnelligkeit der Umsetzung dieser Entscheidungen. Ich gehe aber davon aus, dass die Linie 709 in fünf Jahren raus ist aus der Innenstadt, dass wir ein größeres Center haben und einen besseren Branchenmix. Neuss wird eine Einkaufsstadt mit einem eigenen Profil sein.