Janis Boieck auf dem Weg nach oben
Der 19-jährige Torwart des TSV Bayer ist die Entdeckung der Saison. Per Zweitspielrecht ist er jetzt auch in der Zweiten Liga aktiv.
Dormagen. Gute Handball-Torhüter haben sie in Dormagen schon oft gehabt: Dieter Bartke, Andreas Thiel, Joachim Kurth, Jens Vortmann . . . Jetzt schickt sich ein 19-Jähriger an, in diese ebenso großen wie erlauchten Fußstapfen zu treten.
Den Namen von Janis Boieck kannten bis vor drei Monaten nur Eingeweihte. Inzwischen „hat es sich herumgesprochen, dass da ein Riesentalent zwischen euren Torpfosten steht“, sagte Chris Stark nach der 20:29-Niederlage des von ihm trainierten Longericher SC beim TSV Bayer Dormagen in der vergangenen Woche. Kurz zuvor hatte der Junioren-Nationaltorhüter den Kölnern mit 16 gehaltenen Bällen das Nachsehen gegeben im Lokalderby der Dritten Liga West.
Mittlerweile hat der 19-Jährige auch seine ersten Einsätze in der Zweiten Liga hinter sich. Denn weil Bastian Rutschmann, die Nummer eins beim Bergischen HC, mit gebrochenem Finger wohl bis Ende des Jahres ausfällt, „lieh“ der ungeschlagene Tabellenführer Janis Boieck kurzerhand für diese Zeit per Zweitspielrecht aus. „Das Erstspielrecht liegt bei uns“, sagt Bayers Handball-Geschäftsführer Björn Barthel. Deshalb stand Boieck auch beim Dormagener 29:24-Sieg in Volmetal zwischen den Pfosten — und nicht in Wilhelmshaven, wo der BHC gleichzeitig mit viel Mühe 27:26 gewann.
Zwei Tage später, im BHC-Heimspiel gegen den TV Emsdetten, durfte er dann ’ran: Nach 14 Minuten schickte ihn Trainer Sebastian Hinze für einen Siebenmeter zwischen die Pfosten: „Das war ein Wahnsinnsgefühl bei dieser Kulisse“, sagt Boieck über den Moment seiner Einwechslung, „aber danach habe ich mich möglichst nur noch darauf konzentriert, den Ball zu halten.“ Was gelang: Dirk Holzner, mit 99 Saisontoren bester Werfer beim TVE, scheiterte an dem 19-Jährigen. Zum Lohn durfte er in den letzten neun Spielminuten Christopher Rudeck zwischen den Pfosten ablösen — und steuerte zum 31:25-Sieg auch noch ein paar Paraden bei.
„Es läuft gut mit ihm und mit Dormagen“, sagt Hinze über seinen Ersatzkeeper, der gestern mit den Bergischen die 380 Kilometer lange Reise zum Spitzenspiel bei der SG Bietigheim antrat. Heute (19 Uhr, TSV-Bayer-Sportcenter) geht es dann mit Dormagen als Kontrastprogramm gegen Drittliga-Schlusslicht ATSV Habenhausen weiter.
TSV-Trainer Ulli Kriebel sieht im Doppel-Engagement des 19-Jährigen kein Problem. „Die Belastung bei Torhütern ist ja eine andere als bei Feldspielern“, sagt er. Deshalb darf Janis Boieck auch trainingsmäßig zweigleisig fahren: Beim BHC macht er die Vormittagseinheiten mit, ist manchmal auch beim Mannschaftstraining am Abend dabei. „Davon kann er nur lernen, und das ist bei Torhütern sehr wichtig“, ist Kriebel überzeugt, „aufs Ganze gesehen profitieren auch wir letztlich davon“.
Vielleicht verhilft die Zweitliga-Luft dem Junioren-Nationaltorhüter zu jener Konstanz, die sein Trainer beim ihm noch vermisst: „Er hat überragende Spiele wie gegen Longerich, aber es sind auch immer mal welche dabei, in denen seine Quote nur bei 20 Prozent liegt.“ Doch mit Blick auf sein Alter sei das nicht überraschend.
Eigentlich war der gebürtige Wiesbadener, der seit 2012 das Bayer-Trikot trägt, nach seinem Aufrücken aus der A-Jugend nur als Back-up für Sven Bartmann vorgesehen. Doch die langwierige Verletzung des Routiniers machte ihn schnell zur Nummer eins. „Das Wichtigste ist, dass er auf dem Teppich bleibt“, sagt Kriebel, der mit Blick auf die heutige Partie gegen die Bremer seine gesamte Mannschaft in die Pflicht nimmt: „Wir müssen Habenhause sehr ernst nehmen. Die verfügen über ein paar wurfgewaltige Spieler.“