Koloss rollt sicher ins neue Zuhause

4500 Zuschauer verfolgten die Reisevon Absetzer 742 über die neue A 44 ins Restloch bei Jüchen.

Rhein-Kreis. Bei der Wanderung des Absetzers innerhalb des Braunkohlentagebaus Garzweiler verkauften allein die Mitglieder der Dorfgemeinschaft und des Fußballvereins SV 09 Otzenrath so viele Bratwürstchen, wie der eigentliche „Star“ des Tages an Tonnen auf die Waage bringt: etwa 2400. „Wir hätten nicht mit einem so großen Andrang gerechnet“, sagte SV-Chef Herbert Brockerhoff und sprach am Grill auch für seine Vereinskollegen. Die Otzenrather hatten wohl nicht damit gerechnet, gut zehn Jahre nach ihrer Umsiedlung bei einem Absetzer-Transport von RWE-Power ausgerechnet an der Stelle, an früher ihr altes Dorf stand, Bratwurst im Brötchen zu verkaufen. „Wir setzen damit auch ein Zeichen für eine gute Nachbarschaft“, sagte Brockerhoff, wohlwissend, dass viele die Umsiedlung noch nicht als „abgeschlossen“ bezeichnen.

Aber darum ging es gestern auch nicht. Im Mittelpunkt des Geschehens: der 48 Meter hohe Stahlkoloss, der gestern als letzte Hürde auf seinem Weg ins östliche Restloch bei Jüchen die neue Autobahn 44 überquerte. Rund 4500 Besucher verfolgten das Geschehen von der Autobahn aus und nutzten die seltene Gelegenheit, einen der sechs Absetzer im Tagebau aus der Nähe zu betrachten. Das Großgerät ist ein Gegenstück zu den Baggern: Es schüttet Erdmassen am „ausgekohlten“ Ende der Grube auf, zuletzt auch die 600 Meter breite Trasse, auf der die neue A 44 gebaut wurde.

Ab Juni soll der Absetzer mit der Nummer 742 helfen, das zehn Quadratkilometer große Loch südlich von Jüchen zu verfüllen. „Wir haben das gut vorbereitet“, sagte Tagebau-Chef Markus Kosma, der das Geschehen gestern genau verfolgte, schließlich hat RWE Power rund 15 Millionen Euro in den Transport und in den Bau neuer Bandanlagen sowie eines Verschiebekopfs investiert. Der Absetzer-Transport steht symbolisch für die Rekultivierung bei Jüchen, die sich aufgrund der Autobahn-Trasse um einige Jahre verzögert hat, nun aber von RWE Power fokussiert wird.

Foto: crei

Die Stelle, an der der 2400 Tonnen schwere Koloss (das Gewicht entspricht 400 Elefanten) die Autobahn gestern Nachmittag kreuzte, war zuvor mit einer vier Meter dicken Schutzschicht aus Sand und Kies bedeckt worden, damit die Fahrbahn keinen Schaden nimmt. Markus Kosma wies gestern auf den engen Zeitplan hin: „Wenn der Absetzer die Autobahn überquert hat, muss zügig alles aufgeräumt werden.“ Schon heute sollen schwere Teile für eine der neuen Autobahn-Brücken angeliefert werden, wofür die Arbeiter „freie Bahn“ brauchen.

Der Transport des Großgeräts innerhalb des Tagebaus, in dem eigens Rampen aufgeschüttet worden waren, lief problemlos. Am Steuer: Peter Tetzlaff. Der 60-Jährige manövrierte sein „Baby“ routiniert per Joystick über die Autobahn — unbeeindruckt von den Besuchermassen, die sich dicht an den Zäunen drängten. „Das ist normaler Betrieb“, sagte er gelassen und signalisierte den Start des Transports um genau 14.37 Uhr mit dem Tröten einer Hupe und den Worten „Vorsicht am Fahrwerk“. Zeit, den Absetzer beim Rollen zuzuschauen, hatten die Zuschauer zu Genüge: Gerade einmal 400 Meter pro Stunde kann das Gerät zurücklegen, dessen Stärken eher in seiner Verkippungsleistung liegen: 130 000 Kubikmeter kann es täglich aufschütten.

Die Dimensionen des Geräts beeindrucken viele: Bürgermeister Harald Zillikens etwa, der sich vor Ort ein Bild machte. Ihn interessiert die Technik, es ging gestern aber auch um „seine“ Gemeinde: Die Ankunft des Absetzers markiert einen Meilenstein in der Verfüllung des Restloch jenseits der Jülicher Straße. Mit Spannung verfolgten auch Melanie und Sascha Marzanke aus Hochneukirch das Geschehen von ihrer Picknickdecke aus. „Den letzten großen Transport hatten wir verpasst. Diesmal wollten wir ihn uns nicht entgehen lassen.“