Mietspiegel soll angepasst werden
Neusser Sozialpolitik erhöht den Druck auf den Kreis. Die Leistungen für Hilfeempfänger seien überarbeitungswürdig.
Neuss. Immer mehr Langzeitarbeitslose, Alleinerziehende oder Rentner müssen ihre Budgets für den Lebensunterhalt ankratzen, um Löcher bei der Wohnungsmiete zu stopfen. Denn für den Betrag, den der Kreis für angemessen ansieht und auch zahlt, finden sie in Neuss keine Wohnung. Das will die Neusser Politik nicht länger hinnehmen.
Sie nimmt aber nicht nur den Kreis in die Pflicht, das Regelwerk mit dem sperrigen Titel „grundsicherungsrelevanter Mietspiegel“ bei der angekündigten Überarbeitung endlich an die Neusser Realitäten anzupassen, sondern gibt auch der Stadt einen klaren Auftrag: Helfen, wenn jemand unverschuldet in Not geraten ist. Diesen Auftrag des Sozialausschusses nehme er sehr ernst, erklärt Sozialdezernent Stefan Hahn. Ihn treibt nach eigener Aussage derzeit die Idee einer „Sozialstiftung“ um.
Die Angemessenheit der Mieten ist seit Jahren ein Zankapfel zwischen der Stadt und dem Kreis. Stefan Hahn allerdings will den „Teilnehmerkreis“ um die Politik erweitern. Das Problem des engen Wohnungsmarkts und damit der Mieten in der Kreisstadt sei nur zu lösen, wenn mehr preiswerter Wohnraum geschaffen wird. Dazu allerdings müsste einerseits die Landesregierung die, so wörtlich, „eiserne Klammer um die Städte lockern“ und diesen eine Ausdehnung der Siedlungsflächen erlauben, andererseits die Politik mehr Bauland ausweisen.
Dass das zuletzt im Jahr 2014 aktualisierte Niveau der akzeptierten Mieten mit den tatsächlichen Gegebenheiten nicht übereinstimmt, hat für Carsten Thiel (UWG) viel damit zu tun, dass die Angebotsmieten, die also für aktuell verfügbare Wohnungen verlangt werden, bei der gutachterlichen Untersuchung nicht im nötigen Umfang berücksichtigt worden seien. Heinz Sahnen (CDU), zugleich stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender des Neusser Bauvereins, macht noch eine andere Ursache aus: zu wenig Neubauten, die mit Geld der öffentlichen Hand gefördert werden. Der Bauverein, so rechnet er vor, habe im Jahr 2015 keine Wohnung in diesem Segment fertiggestellt. In der Tat habe der Bauverein vergangenes Jahr keinen Cent Wohnbauförderung beantragt, berichtet Karsten Makowsky, Dezernent für Bauaufsicht beim Rhein-Kreis, den allerdings auch lediglich sieben Anträge aus dem Kreis erreichten. „Dieses Jahr werden es mehr“, sagt Makowsky.
Die Neusser Sozialpolitik war angesichts der angespannten Situation für die Hilfeempfänger fast so weit, die Aussetzung des Mietspiegels zu verlangen. Das Thema ist auch noch nicht ganz vom Tisch, doch konnte Stefan Hahn die Politik mit dem Hinweis bremsen, dass dann faktisch jede Miete zu akzeptieren wäre. Deswegen würden die Sozialgerichte ja solche Tabellen verlangen. Stattdessen beschloss die Politik auf Antrag von CDU und Grünen die Überarbeitung des Mietspiegels auf Basis tatsächlicher Daten und eine jährliche Fortschreibung. Außerdem soll allen Leistungsbeziehern, die sich nachweislich, aber erfolglos um eine Senkung der Mietkosten bemüht haben, die Wohnung komplett bezahlt werden. Und, so ergänzt Thomas Kaumanns, die Behörde müsse bei der Suche nach solchen Wohnungen helfen — selbst wenn das (Personal)-Kosten verursacht.