Nach Beziehungstat: Neusser Schütze weiter flüchtig

Ein SEK-Einsatz blieb erfolglos. Nach ersten Zeugenaussagen verdichten sich Hinweise auf eine Beziehungstat.

Foto: Schüller (2)

Weckhoven. Am Tag nach den Schüssen am Lindenplatz ist der Täter weiter auf der Flucht. Der Einsatz eines Spezial-Einsatz-Kommandos (SEK), das in der Nacht zum Donnerstag eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus an der Maastrichter Straße stürmte, in dem der dringend tatverdächtige Hakki P. vermutet wurde, konnte auch nicht zur Ergreifung des 47-jährigen Neussers führen. Der Gesuchte soll am Mittwochnachmittag mehrere Schüsse auf eine 25-Jährige abgefeuert und diese an der Schulter verletzt haben. Die Polizei, die noch am Abend des Anschlags die Mordkommission „Linden“ bildete, geht weiter von einer Beziehungstat aus. Gründe für den Übergriff könnten im familiären Umfeld liegen.

Der Angreifer wollte sein Opfer töten. Davon gehen die Ermittler der Mordkommission unter Leitung der Kriminalpolizei Düsseldorf inzwischen aus. Eine solche Annahme klingt einer Zeugin noch viel zu vage. Sie vermutet nicht, sondern ist fest davon überzeugt, einen Mordversuch gesehen und verhindert zu haben. „Der Mann kniete doch auf dem Rücken der Frau und hat noch auf sie geschossen“, sagt sie. Erst als sie und ihr Mann dazwischengingen, ließ der Schütze von seinem Opfer ab und floh zu Fuß in unbekannte Richtung.

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Frau in Neuss angeschossen und verletzt
8 Bilder

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Die Suche nach dem Tatverdächtigen wurde gestern unvermindert intensiv fortgesetzt. Informationen zu möglichen Fluchtfahrzeugen, die der Mann nutzen könnte, liegen nicht vor. Anwohner beobachteten kurz vor der Tat einen verdächtigen schwarzen Skoda mit einem bayerischen Kennzeichen auf dem Parkplatz der St.-Nektarios-Kirche, doch spielte dieses Auto nach Polizeiangaben bei der Tat keine Rolle. Die Fahnder vermuten hinter den Schüssen mehr denn je eine Beziehungstat. Zur Art der Beziehung macht die Polizei allerdings keine Angaben. Es soll sich jedoch um den „Ex der Mutter“ handeln. Das berichtete das Opfer seinen beiden Rettern, die die schwer verletzte Frau mit in ihr Haus am Lindenplatz nahmen und sie medizinisch versorgten.

„Ich habe erst vorige Woche einen Erste-Hilfe-Kurs gemacht“, sagt die Zeugin, deren Mann ebenfalls eine Ersthelfer-Ausbildung hat. Er verarztete die 25-Jährige in der Küche seines Hauses, nachdem er die Polizei über die Notrufnummer 110 alarmiert hatte. In das Haus der Familie brachte wenig später eine andere Nachbarin auch einen Jungen, der vielleicht der wichtigste Zeuge in diesem Fall werden könnte.

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Er war auch das Kind, das andere Anwohner gellend schreien hörten, nachdem die ersten beiden Schüsse gefallen waren. Der Junge, der angeblich nach Schulschluss auf seinen Bus Richtung Reuschenberg gewartet hatte, muss den Täter gesehen haben, den andere Zeugen als südländischen Typ beschreiben, etwa 1,75 Meter groß und mit kurzen Haaren.

Vom Haus der Zeugen aus durfte der Schüler seinen Vater anrufen, der ihn wenig später dort abholte. „Das Kind war völlig aufgelöst“, erinnert sich die Zeugin. Woher die 25-Jährige kam, wer sie ist und warum sie in Weckhoven war, wissen ihre Retter nicht. Aber der Täter rechnete dort mit ihr. „Der Junge hat berichtet, dass der Mann ihr an der Bushaltestelle aufgelauert hat“, berichtet die Zeugin. Einige Schüsse — insgesamt wurden vier leere Patronenhülsen auf dem Gehweg gefunden — gab der Täter wohl aus größerer Distanz ab.

Ein fünftes und letztes Mal drückte der Mann nach Angaben der Zeugin ab, als er die fliehende Frau auf der Wiese zwischen der St.-Nektarios-Kirche und einem Gedenkstein eingeholt und überwältigt hatte und mit der Waffe auf ihr kniete. Offensichtlich war es diese Kugel, die das Opfer an der Schulter verletzte — allerdings nicht lebensgefährlich, wie sich später im Krankenhaus herausstellte.

Dort wird die Frau noch immer behandelt. Die Zeugin hatte erst aus dem Fenster geschrien „Hau ab. Ich hol’ die Polizei“. Aber davon hätte sich der Mann wenig beeindruckt gezeigt. Dann, als ihr Mann hinzukam, stürmte sie aus dem Haus. „In seinem Wahn, so wie der war, hätte er auch auf mich schießen können“, sagt die Frau. Aber der Gedanke kam ihr erst in der folgenden Nacht, in der sie lange schlaflos wach lag.

Der Gesuchte Hakki P. könnte noch immer bewaffnet sein. Die Polizei warnt deshalb davor, ihn anzusprechen oder zu stellen. Hinweise auf den Mann erbittet die Polizei unter der Telefonnummer 02131/3000.