Gesamtkunstwerk Auf Wanderschaft im Neusser Alpineum
Neuss · Nach einer Winterpause meldet sich Christoph Rehlinghaus mit seinem Alpineum zurück: Zu sehen sind dort neue Arbeiten, die sich rund um den Titel „Das Wandern als Kunstform“ drehen. Oder kurz gesagt: „Was geht?“
Durch die weite Landschaft zieht der Wanderer: Sein Weg führt durch idyllisches Grün, kein anderer Mensch ist in Sichtweite, nur ein Berggipfel ragt in der Ferne in die Höhe. Dann taucht vor ihm eine Couch auf. Eine Couch? Spätestens jetzt wird der Betrachter des Gemäldes irritiert aufmerken. Tatsächlich steht dort am gemalten Wegesrand gut sichtbar ein großes, grün gepolstertes Sofa. Erst der Schriftzug im Bild verschafft Klarheit und entlockt ein Schmunzeln: „Sofa away from home“ ist dort zu lesen.
Und das stimmt im doppelten Sinne: Einerseits ist der Wanderer „so weit weg“ von zu Hause, andererseits ist auch das Sofa offensichtlich nicht im heimischen Wohnzimmer. Es ist Humor wie dieser, der sich immer wieder in den Werken von Christoph Rehlinghaus finden lässt.
Nachdem er zuletzt in seine Ausstellung „Haidi“ in sein Alpineum an der Oberstraße geladen hatte, meldet er sich nun nach einer Winterpause mit einer neuen Ausstellung zurück. Die hat er gleich unter mehrere Titel gesetzt: „Das Wandern als Kunstform“ heißt es etwa oder kurz gesagt: „Was geht?“. Auch unter „Uns blüht was aber wo“ wird die Schau angekündigt. Unter diesem Titel hat Rehlinghaus nämlich vor 14 Jahren zu einem ähnlichen Thema eine Ausstellung in Kalkar vorbereitet. „Deswegen könnte man auch sagen, dass es nun ein ,Uns blüht was aber wo 2.0.‘ ist“, sagt der Künstler und lacht. Von seinen alten Arbeiten ist nun aber nichts zu sehen, es seien ausschließlich neue Werke, die er nun präsentiert. Die meisten seien in den vergangenen Wochen entstanden. „So eine Ausstellung gönne ich mir nicht oft“, erklärt Rehlinghaus, „ich habe mich wirklich ins Zeug gelegt.“
„Das Wandern hat immer auch etwas mit einer Suche zu tun“
Zu sehen sind auf seinen neuen Bildern hauptsächlich Wanderer in einer Berglandschaft. Das Wandern sei eines seiner Herzensthemen, meint Rehlinghaus. Für die Umsetzung habe er sich von Caspar David Friedrich inspirieren lassen. „Während er die Menschen meist von hinten malt und selbstvergessen in die Ferne schauen lässt, male ich die Leute gerne von der Seite“, sagt der Neusser Maler. Dadurch sind die Figuren in seinen Gemälden nicht statisch, sondern wirken, als seien sie gerade in der Bewegung eingefangen worden. „Das Wandern hat immer auch etwas mit einer Suche zu tun“, erklärt Rehlinghaus, „die Menschen brechen mit einer gewissen Erwartungshaltung auf in die Natur. Sie wollen etwas finden.“
Und da ist der Neusser Maler wieder bei Caspar David Friedrich und in der Epoche der Romantik. Zu jener Zeit war die blaue Blume ein Symbol für eine unbestimmte Sehnsucht. „Ich suche die blaue Blume, ich suche und finde sie nie“, ließ der Schriftsteller Joseph von Eichendorff etwa sein lyrisches Ich in dem Gedicht „die blaue Blume“ klagen. Bei Rehlinghaus kann besagte blaue Blume jedoch gefunden werden: Sie sprießt aus einer Felswand hervor oder wächst aus einem zu einem Hügel zusammengeschrumpften Berg. Aber nicht nur die blaue Blume lässt Rehlinghaus blühen, in anderen Werken sind es ganze Sträuße, die explosionsartig erscheinen.
Rehlinghaus‘ Wanderer sind aber nicht nur in den Alpen, sondern auch auf Sizilien unterwegs. Neben den Gemälden hängt ein Wanderstock an der Wand. Einst gehörte er seinem Großvater, der ihn mit einigen Plaketten bestückt hat. Auch dieser Anblick sorgt beim Betrachter für Verwunderung. Denn statt mit einer Spitze ist der Stock am unteren Ende mit einem Pinsel versehen.
Ein Zufall ist das nicht. „Wenn man so möchte, entspricht das Malen einer Wanderung“, erklärt der Künstler. Immerhin gehe es sowohl beim Malen als auch beim Wandern darum, Neues zu entdecken. „So, als würde man mit dem Pinsel auf der Leinwand zu einem Abenteuer mit einem ungewissen Ausgang aufbrechen. Ob beim Wandern oder beim Malen – bei beiden Aktivitäten warten Überraschungen, die uns ins Staunen versetzen“, sagt Rehlinghaus. Gerade die Fähigkeit des Staunens sei für ihn ein hohes Gut, das in einer übersättigten Gesellschaft immer wertvoller werde.
Zur Ausstellungseröffnung gab es für den ersten Besucher eine „Wandertüte“ mit einer Überraschung.