Neuss: Mehr als reine Krisenklinik
50 Millionen Euro fließen in die Psychiatrie. Zum Neubau gehört ein neues Konzept. Der Bedarf steigt.
Neuss. Der Bagger räumt zur Seite, was von der alten Klinik St.Josef geblieben ist: Schutt und Geröll. Dr. Martin Köhne, Geschäftsführer und Ärztlicher Direktor des Krankenhauses St. Alexius/St.Josef, blickt aus dem Fenster des neuen Bettenhauses an der Augustinusstraße auf die Baustelle. Er wirkt sehr zufrieden. Mitte des Monats sollen die Reste der alten Klinik abgetragen sein, dann ziehen die Arbeiter die Magistrale, in der sich künftig auch der Haupteingang befindet, hoch - der letzte Bauabschnitt eines 50 Millionen-Euro-Projektes.
"Transparent" ist eines der Worte, die Köhne häufig benutzt, um den Stil des neuen Bauwerks zu beschreiben. Viele hohe Fenster lassen Licht in die Räume, viel Grün umgibt die vier Häuser mit rund 350 Betten. "Wir wollen auch zeigen, dass ein Aufenthalt in einer Klinik nicht von Dauer sein muss, dass wir punktuell helfen können", sagt er. Psychisch Kranke würden von ihrer Umwelt häufig stigmatisiert.
"Dem soll dieser transparente Bau entgegenwirken." Schließlich könne jeder Mensch in seinem Leben in eine Krise geraten. Ein neuer Bau und ein neues Konzept: Eine reine Krisenklinik will das Krankenhaus, die einzige psychiatrische Klinik im Kreis, nicht sein, sagt Köhne. Man setzt auf Spezialisten, so auf die für Patienten mit Borderline-Störung, Traumata oder Depressionen, sowie auf Angebote, die auch überregional Bedeutung haben - die Mutter-Kind-Station ist dafür ein Beispiel. Für hochspezifische Angebote wie zum Beispiel für junge Gewaltopfer gebe es bereits jetzt Wartelisten. Tendenz steigend.
"Wir werden die Arbeit mit Spezialisten ausbauen", sagt Köhne. Bis Ende des Jahres würden rund 6000 Patienten die Klinik besucht haben. "Und das sind nur die stationären Aufenthalte. Wir sind zu 100 Prozent ausgelastet."
Ziel ist es, eine Grundversorgung für 450 000 Einwohner sicherzustellen. Neben dem zentralen Fachkrankenhaus mit Ambulantem Zentrum in Neuss, das im sanierten Altbau an der Nordkanalallee untergebracht wird, sollen so genannte Psychiatriecluster den steigenden Bedarf auffangen. Gemeint ist ein Netzwerk der Anbieter: Unter anderem beteiligen sich die Kreiskrankenhäuser Dormagen und Grevenbroich und das Johanna-Etienne-Krankenhaus in Neuss.
Noch hat Köhne sein Büro mit Blick ins Grüne im Erdgeschoss eines Bettenhauses. Das wird sich ändern, wenn der Bau 2011 fertiggestellt ist. Dann zieht er um in die Magistrale. Sein Büro wird zum Patientenzimmer und bleibt unverändert. Köhne nimmt das als Zeichen für den hohen Standard des St. Alexius/St. Josef Krankenhauses. "Dass mein Büro ein Patientenzimmer ist, sieht man ihm doch wirklich nicht an, oder?"