Leben auf der Straße in Neuss Mehr Bettler im Neusser Stadtbild

Neuss. · In den vergangenen Monaten waren mehr Menschen in der Stadt zu sehen, die auf der Straße leben.

Eine offenbar wohnungslose Person wärmt sich in der Innenstadt mit einer Decke.

Foto: Kirschstein, Frank

Nicht immer sieht man sie persönlich, manchmal entdeckt man auch nur eine ihrer Schlafstätten wie zum Schützenfest am Rheinischen Landestheater. Doch vor allem Besucher der Innenstadt dürfte in den vergangenen, warmen Monaten aufgefallen sein: Die Anzahl von offenbar obdachlosen Menschen im Stadtgebiet hat – zumindest optisch – zugenommen. Das bestätigt auch der Kommunale Service- und Ordnungsdienst der Stadt (KSOD) auf Nachfrage. „80 Prozent der Personen sind jedoch dem KSOD auch namentlich bekannt“, sagt Stadtsprecherin Nicole Bungert. Der „beliebteste“ Aufenthaltsort sei eindeutig die Innenstadt. Dort wurden nach Angaben der Stadt allein im August insgesamt 19 Platzverweise gegen Obdachlose ausgesprochen, die bis auf fünf ausschließlich den Hauptstraßenzug betrafen. Die übrigen fünf Platzverweise betrafen den Theodor-Heuss-Platz und Marienkirchplatz.

Vermehrt rumänische
Bettler erkannt

Aber hat die tatsächliche Anzahl der Obdachlosen in Neuss wirklich zugenommen oder sind sie lediglich im Stadtbild präsenter geworden? Ersteres verneint der KSOD: Vielmehr würden vermehrt rumänische Bettler erkannt, die von außerhalb kommen und in Neuss ihr „Tagesgeschäft“ verrichten. „Diese Personen sind in der Regel organisiert und müssen das erbettelte Geld zumeist abgeben“, sagt Bungert.

Klar sei auch, dass in den Sommermonaten mehr Menschen die Nächte im Freien verbringen und die Übernachtungseinrichtung nicht aufsuchen. Diese Menschen würden häufig als verwahrlost wahrgenommen, da die Körperhygiene meist unzureichender sei und ein Leben auf der Straße einen höheren Verschleiß an Kleidung mit sich bringe. Das werde sich allerdings wieder verändern, wenn das Wetter sich verschlechtert und die Temperaturen sinken. Die Hauptanlaufstelle für Obdachlose in Neuss ist die „Hin und Herberge“ am Derendorfweg. Im Schnitt verweilen dort derzeit 40 Personen. Insgesamt gibt es in der Übernachtungseinrichtung 60 Schlafplätze und eine Reserve von weiteren 22 Betten. Von 17 bis 7.30 Uhr finden Obdachlose dort ein Dach über dem Kopf – können duschen, in einem richtigen Bett schlafen und Wäsche waschen.

Zwar handelt es sich bei den meisten Obdachlosen um Männer, allerdings nicht ausschließlich. Aus diesem Grund planen der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) und die St.-Augustinus-Gruppe jeweils ein Projekt, um Frauen in dieser Situation besser unterstützen zu können. Vom Sozialausschuss gab es in der vergangenen Woche grünes Licht. Der SkF möchte sechs Appartments mit einer Größe von 25 Quadratmetern anbieten. Dabei handelt es sich um eine Übergangslösung, denn Ziel ist die Vermittlung in eigenen Wohnraum beziehungsweise in ein geeignetes Angebot mit Hilfesystem. Die St.-Augustinus-Gruppe ist in der Lage, elf Appartments auf zwei Etagen in einem Gebäude auf dem Areal des Alexianer-Geländes anzubieten. Die Wohnungen sollen unter anderem für Frauen sein, bei denen besondere soziale Schwierigkeiten vorliegen.

Im kommenden Sozial- und Gesundheitsausschuss des Rhein-Kreises ist zudem eine Landesinitiative zur Bekämpfung von Wohnungslosigkeit in NRW Thema. Nach Angaben des Kreises sind sowohl der SkF Neuss als auch der Caritasverband des Kreises interessiert, sich an der Initiative zu beteiligen und hätten bereits Förderanträge eingereicht. Nach den Richtlinien könnten im Rhein-Kreis bis zu drei Stellen gefördert werden. Wohnraum-Akquise und Betreuungsangebote sind dabei nur zwei Punkte von vielen.