Jobcenter Neuss muss höhere Mieten zahlen Gericht: Wohngeld im Kreis zu gering

Neuss/Kaarst. · Sie bekämen zu wenig Wohngeld fürchteten Hilfeempfänger und zogen vor Gericht. Dieses gab ihnen Recht. Das Urteil könnte eine Lawine auslösen.

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Das Sozialgericht Düsseldorf hat in zwei Urteilen festgestellt, dass die Obergrenzen für Mietkosten, die der Rhein-Kreis für Hilfeempfänger für angemessen hält und erstattet, deutlich zu niedrig angesetzt sind. Die Differenz zwischen den Sätzen, die der Kreis zahlte und dem, was das Gericht für notwendig erachtet, ist riesig; im Falle einer dreiköpfigen Familie aus Neuss liegt sie bei 25 Prozent.

Das noch nicht rechtskräftige Urteil könnte zum Präzedenzfall werden, sagt Roland Sperling (Die Linke): „Neusser Hartz-IV-Bezieher können sich künftig darauf berufen und die Übernahme von 25 Prozent höheren Kosten als bisher verlangen.“ Das hätte enorme Kostensteigerungen zur Folge. Allein in der Stadt Neuss wären mehr als 7000 Haushalte betroffen.

Mit den Urteilen zertrümmert die 29. Kammer des Sozialgerichts nach Einschätzung von Thomas Kaumanns (CDU) die Studie der Hamburger Beratungsfirma „Analyse und Konzepte“, auf der der vom Kreistag beschlossene und vom Jobcenter anzuwendende „grundsicherungsrelevante Mietspiegel“ basiert. Carsten Thiel (UWG) kündigt an, im Kreissozialausschuss auf eine sofortige Überarbeitung des Zahlenwerkes zu drängen. „Bis dahin muss die Anwendung des Mietspiegels ausgesetzt werden“, so der Stadtverordnete und
Kreistagsabgeordnete.

Neben der Neusser Familie hatte auch eine dreiköpfige Bedarfsgemeinschaft aus Kaarst gegen Mietkürzungen durch das Jobcenter geklagt. Das hatte die Miete der Kläger für unangemessen hoch gehalten und nur einen Teil der Kosten übernommen. Dagegen setzten sich die Hilfeempfänger mit Blick auf den angespannten Wohnungsmarkt zur Wehr. Und die Kammer gab ihnen Recht.

Der Rhein-Kreis gibt
sich derzeit defensiv

Das Konzept der Hamburger Firma sei nicht schlüssig, so das Gericht, weil überproportional viele Daten aus dem SGB II-Leistungsbezug und von großen Vermietern wie Wohnungsgenossenschaften eingeflossen seien. Die Datenbasis repräsentiere nicht den gesamten Wohnungsmarkt. Aber genau das hatte die Beratungsfirma behauptet. „Wir glauben, dass die Mieten in Neuss nicht richtig eingeschätzt werden“, so der Neusser Sozialdezernent Ralf Hörsken. Aber damit, das rechtskräftig durchzusetzen, „scheitern wir jedes Mal.“

Der Rhein-Kreis gibt sich defensiv. Das Urteil beziehe sich auf den Mietspiegel 2018, die seit Februar gültige Fortschreibung sei nicht beklagt, so Kreis-Sprecher Benjamin Josephs. Man wolle die schriftliche Urteilsbegründung abwarten und prüfen, ob die Kritik des Gerichts auch auf den geltenden Mietspiegel bezogen werden kann „und Konsequenzen nötig sind“. Es könne sein, dass der Kreis in Revision geht. Im Kaarster Rathaus wartet man gespannt auf die Umsetzung des Urteils. „In der Praxis erwarten wir durch eine Erhöhung der Mietobergrenze eine größere Flexibilität bei der Wohnungssuche für Leistungsempfänger“, sagt Stadtsprecher Peter Böttner.