Politiker wollen mehr Bürgernähe schaffen
Eine Möglichkeit dafür könnte aus ihrer Sicht sein, die Bezirksausschüsse zu stärken.
Neuss. Rat, Ausschüsse, Unterausschüsse, Arbeitskreise: Dieses Gremien-Geflecht zur Organisation der politischen Willensbildung stellt der Stadtrat jetzt auf den Prüfstand. Mit zwei fast deckungsgleichen Anträgen von der schwarz-grünen Koalition und der SPD wurde gestern ein Prozess angestoßen, der dem Politikbetrieb vielleicht noch in dieser bis 2020 laufenden Amtszeit eine neue Konstruktion gibt. Zentrale Anliegen: Die Ausweitung der Bürgerbeteiligung und eine Verlagerung von Entscheidungs-Kompetenzen.
Die SPD möchte dazu vor allem und endlich einen eigenen Bezirksausschuss Nordstadt etablieren. Seit der kommunalen Neuordnung im Jahr 1975 bestehen lediglich im Neusser Süden vier — historisch gewachsene — Bezirksausschüsse für Norf, Rosellen, Holzheim und Uedesheim. „Es ist nicht nachvollziehbar, wieso die Nordstadt als größter und weiter dynamisch wachsender Stadtteil keinen Bezirksausschuss haben soll“, argumentiert SPD-Fraktionschef Arno Jansen.
Der Ansatz überzeugt auch die Koalition, doch eine Beschränkung auf nur diesen einen Punkt wäre für die CDU-Fraktionsvorsitzende Helga Koenemann zu wenig. Zumal, wie sie feststellt, damit nur ein weiteres Gremium geschaffen würde, das Zeit und Arbeitskraft der Stadtverordneten bindet. Wenn die Koalition nun eine aufgabenkritische Überprüfung der bestehenden Struktur fordert, hat sie auch eine Entlastung der Stadtratsmitglieder vor Augen.
Wäre Neuss eine kreisfreie Stadt, was sie mit fast 160 000 Einwohnern leisten könnte, wäre die Lösung einfach: Die Stadt würde dann in Bezirke eingeteilt, die jeweils eigene und auch direkt zu wählende Bezirksvertretungen hätten. Diese Direktwahl würde den Weg für Bürger frei machen, die nur in ihrem Bezirk kandidieren und mitarbeiten (wollen). Im Sinne einer breiteren Bürgerbeteiligung wäre das gut, meint Koenemann. Aber ist das machbar?
Jansen ist da skeptisch. Seines Wissens stehen dem die Gemeindeordnung und das Kommunalwahlgesetz entgegen. Kreisangehörige Kommunen wie Neuss dürften nur Bezirksausschüsse bilden, die, so Jansen, die Mehrheitsverhältnisse im Rat widerspiegeln müssen. Das wäre bei einer Direktwahl nicht gegeben. Aber man könnte die Bezirksausschüsse deutlich stärken.
Das könnte heißen, dass der Rat diesen Gremien Zuständigkeiten zuweist, die fast so weitgehend sein können wie bei Bezirksvertretungen kreisfreier Städte. Dann würden sie in allen Angelegenheiten, deren Bedeutung nicht wesentlich über den Bezirk hinausgeht, selbst entscheiden können. Diese bürgernahen Gremien, in denen sachkundige Bürger in großem Umfang tätig sein dürften, würden viele Dinge in die Hand nehmen, die den Rat und seine Ausschüsse nicht mehr beschäftigen müssten. Wohnbaulandentwicklung, Wirtschaftsförderung oder die Flüchtlingsunterbringung aber blieben als Themen mit gesamtstädtischer Relevanz ausgeklammert und dem Rat vorbehalten.
Voraussetzung eines solchen Modells wäre, dass die Stadt in Bezirke eingeteilt wird. Dann müssten die neuen Bezirksausschüsse zur Aufgabenerfüllung eigene Budgets erhalten. Zuerst aber muss sich die Politik darüber klar werden, dass dieser Weg (mehr) Geld kosten wird.