Mehr Bürgerbeteiligung: Kein klares Signal aus der Politik
Es gibt genug Vorschläge, wie Bürger besser in Entscheidungen eingebunden werden können. Es mangelt jedoch an Entscheidungsfreude.
Neuss. Bürgerversammlungen, Bürgerinfo-Briefe, Bürgerfragestunde, Bürgerbeteiligung, Bürger-Workshops oder Online-Partizipation: In der Politik ist — die Vielzahl der Begriffe belegt es — ein Wettstreit um die Frage entbrannt, wer die besten Ideen hat, um den Bürger als eigentlichen Souverän in Entscheidungen einzubinden. Und weil die schwarz-grüne Koalition erkennbar der Erkenntnis folgt, dass jede Beschwerde ein kostenloser Verbesserungsvorschlag ist, fordert sie ein „aktives Beschwerdemanagement“. Einen weiteren Bezirksausschuss Nordstadt und damit die Möglichkeit eines politischen Mitwirkens im Stadtteil fordert sie nicht (mehr).
Das wundert die SPD. „Warum fehlt der CDU jetzt plötzlich der Mut?“, fragt der SPD-Vorsitzende Arno Jansen, der mit einem Bezirksausschuss, der auch noch in der Nordstadt tagt, die Bürgerbeteiligung deutlich ausgeweitet sähe. Doch die Koalition will keinen „Rat im Rat“, so Grünen-Chef Michael Klinkicht, warum sich die Koalition im Anschluss an eine Klausurtagung gegen weitere Bezirksausschüsse ausspricht — und gegen die Idee, diese mit eigenem Budget und eigenen Entscheidungskompetenzen auszustatten.
Was die SPD wundert, ärgert den Bürgermeister. „Die Verwaltung hat keine Lust mehr, nur noch für die Schublade zu arbeiten“, erklärte Bürgermeister Reiner Breuer jetzt im Hauptausschuss, der den Top „Stärkung der Ausschussarbeit und der unmittelbaren Bürgerbeteiligung“ einmal mehr und ins kommende Jahr verschoben hat. Begründung: Die FDP hatte angesichts von Ergänzungsanträgen der Koalition wie auch der SPD Beratungsbedarf angemeldet. Weil die Thematik aber schon Monate bekannt ist, deutet Breuer die Bitte um Aufschub ganz anders. „Ich habe den Eindruck, dass sich die Politik vor Entscheidungen drücken will.“
Auf jeden Fall will sie nicht, dass die Entscheidungen über Auftragsvergaben dem Bürgermeister übertragen werden. Das sei das Gegenteil von Transparenz und öffne der Korruption Tür und Tor betonen die Fraktionsvorsitzenden Helga Koenemann (CDU) und Klinkicht. Auch Jansens SPD geht das zu weit. Sie fordert eine Übertragung dieser Entscheidungen auf einen Haupt- und Finanzausschuss.
Der wäre durch Zusammenlegung zweier bestehender Ausschüsse erst noch zu bilden. Doch dagegen sperrt sich die Koalition ebenso wie gegen die Verschmelzung von Bau- und Planungsausschuss — zumindest in dieser Wahlperiode. Die Verwaltung hätte beides gerne schon zum 1. Januar umgesetzt weil das, so Breuer, jährliche Einsparungen im sechsstelligen Bereich möglich macht. Er würde auch dem Beschwerdeausschuss die Eigenständigkeit nehmen und ihn an den Hauptausschuss andocken. Genau das, so die Koalition, sei aber eine Einschränkung der Bürgerbeteiligung.