Reiner Rhefus über den jungen Friedrich Engels und die soziale Frage Die ersten kommunistischen Versammlungen in Elberfeld

Wuppertal · Reiner Rhefus vom Historischen Zentrum über den jungen Friedrich Engels und die Soziale Frage.

Dieses Foto ist nach 1900 entstanden und zeigt das Gebäude des Gasthofs und Hotels „Zweibrücker Hof“ am Wall. Es befand sich auf der Rückseite des Rathauses, des heutigen Von der Heydt-Museums. 

Foto: StAW Fotosammlung M VI-280

Nach dem Weberaufstand in Schlesien und einem Aufruf des preußischen Königs gründete sich auch in Elberfeld ein „Volkssbildungsverein“. Diesen Verein nutzten der 25-jährige Friedrich Engels und seine Gefährten Moses Hess und Gustaf Adolf Köttgen als Plattform, um die soziale Frage und ihre kommunistische Antwort zu debattieren. In Elberfeld und Barmen, dem wichtigsten industriellen Zentrum der preußischen Rheinprovinz, schien ihnen der Boden fruchtbar für ihre Ideen. Hier konnte man die Unterschiede von Reichtum und Armut am deutlichsten beobachten.

So fanden die ersten „kommunistischen Versammlungen“, die in Deutschland abgehalten wurden, im „Zweibrücker Hof“ am Wall statt. Engels schrieb begeistert an Marx: „Hier in Elberfeld geschehen Wunderdinge. Wir haben gestern im größten Saale und ersten Gasthof der Stadt unsre dritte kommunistische Versammlung abgehalten. Die erste 40, die zweite 130, die dritte wenigstens 200 Menschen stark. Ganz Elberfeld und Barmen, von der Geldaristokratie bis zur epicerie, nur das Proletariat ausgeschlossen, war vertreten. (...) Nachher diskutiert bis ein Uhr. Das Ding zieht ungeheuer. Man spricht von nichts als vom Kommunismus und jeden Tag fallen uns neue Anhänger zu.“ (MEW 27: 20)

Hoch angesehene Bürger, Kaufleute und Beamte und selbst der Elberfelder Bürgermeister interessierten sich unter dem Eindruck des Weberaufstandes in Schlesien für die soziale Frage und ihre Lösung.

Reiner Rhefus bietet eine Reihe von Stadtführungen an.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Der Kommunismus, den Friedrich Engels in seiner Rede propagierte, bestand im Appell an die Reichen, nicht im Klassenkampf: „Meine Herren! Wir leben (…) in einer Welt der freien Konkurrenz. (…) In diesem Kriege Aller gegen Alle, in dieser allgemeinen Unordnung und gegenseitigen Ausbeutung besteht das Wesen der heutigen bürgerlichen Gesellschaft. (…) Mit derselben Sicherheit, mit der wir aus gegebenen mathematischen Grundsätzen einen neuen Satz entwickeln können, mit derselben Sicherheit können wir aus den bestehenden ökonomischen Verhältnissen und den Prinzipien der Nationalökonomie auf eine bevorstehende soziale Revolution schließen. (…) Daß aber das kommunistische Prinzip das der Zukunft sein wird, dafür spricht der Entwickelungsgang aller zivilisierten Nationen, (..) dafür spricht die gesunde menschliche Vernunft und vor allem das menschliche Herz.“ (MEW 1: 536ff.)

Bürgermeister droht
mit Zuchthausstrafe

Doch der Bürgermeister und die von ihm unterrichtete Regierung wurden unruhig. Die vierte Versammlung, zu der man auch die Arbeiterschaft eingeladen hatte, wurde verboten. Der Oberbürgermeister Carnap erließ ein Circular an alle „Eigenthümer von concessionirten Gasthwirtschaften.“ Wer staatsgefährdende „Vereinigungen in seinem Hause oder in seiner Wohnung wissentlich duldet“, konnte mit vier Jahren Festungsarrest oder Zuchthausstrafe belegt werden – Die Concession werde nach einer solchen Versammlung sofort eingezogen.“