Termine bei Kinderärzten sind knapp
Berichte von Praxen, die nur noch Notfälle annehmen, zeugen von der Überlastung, in der sich die Ärzte aktuell befinden.
Grevenbroich. Die Wartezimmer überfüllt, und immer wieder tapfer lächelnde Sprechstundenhilfen mit dem ewig gleichen Satz: Neue Patienten nähme die Praxis derzeit nur im Notfall auf. Reguläre Termine gibt es nicht, „seit Tagen telefoniere ich mir die Finger wund“, beschreibt Kerstin Schmengler eine „typische Situation in der Stadt: Keine Kinderarztpraxis vergibt Termine. Die Praxen sind überlaufen“, erzählt die zweifache Mutter. Die gesetzlich vorgeschriebenen sogenannten U4-Termine seien so nicht einzuhalten.
„Das Gesundheitssystem spielt mit der Gesundheit meines Babys“, empört sich die 31-Jährige, wie sie mit ihrem kleinen Sohn auf der Suche nach einem Behandlungstermin von Arzt zu Arzt zieht. Erschwert wird die Situation durch den plötzlichen Weggang des Kinderarztes Daniel Felix Ohlig, der bislang im Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) arbeitete. „Als ich zum Termin kam, wurde mir mitgeteilt, der Arzt habe das MVZ verlassen“, beschreibt Kerstin Schmengler die Situation. Der habe sich „kurzfristig anders orientiert und steht dem MVZ nicht mehr zur Verfügung“, bestätigt MVZ-Chef Joachim Treppmann. „Keiner weiß, was los ist“, beschreibt Claudia Middeldorf, Mutter einer Tochter die Situation. „Das ist schwierig“, die Arztwahl sei Vertrauenssache, und „es ist ein großes Problem, Termine beim Facharzt zu bekommen“. Nach ihrer Einschätzung seien die „vollkommen überlastet“. Bei „akuten Fällen, meine Tochter hatte 41 Grad Fieber“, habe sie „zwei Stunden im Wartezimmer gesessen“.
Formal gesehen bildet der Rhein-Kreis Neuss bei der kinderärztlichen Versorgung einen zusammenhängenden Planungsbereich gemäß der so genannten „Bedarfsplanung“, erklärt Christopher Schneider, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KV). Etwa 32 Kinderärzte sind niedergelassen, „rechnerisch ergibt das einen sehr guten Versorgungsgrad von fast 150 Prozent“, rechnet er vor. Über einen generellen „Aufnahmestopp“ bei Kinderärzten in Grevenbroich liegen der KV keine Hinweise vor. „Dass es vereinzelt Engpässe gibt, wissen wir — die Inanspruchnahme der Pädiater ist hoch, zumal sich deren Belastung durch Vorsorgeuntersuchungen und sozialpädiatrische Aufgaben eher erhöht hat“, führt Schneider aus. Engpässe würden durch den „kollegialen Austausch“ gelöst: Eltern erhalten von den niedergelassenen Ärzten Hinweise auf umliegende Praxen, die Kapazitäten haben.
Ablehnen können Vertragsärzte die Aufnahme und Behandlung von Patienten „nur in wenigen Fällen“, erklärt der KV-Sprecher. Zum Beispiel bei einem vorliegenden gestörten Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient — oder wenn der Arzt die Kapazitätsgrenze seiner Versorgungsleistung als erreicht ansieht. Eine Ausnahme bilden lebensbedrohliche Notfälle — „hier darf kein Arzt eine Akut-Behandlung ablehnen.“ Und weil es eine freie Arztwahl gibt, können Erziehende, die vor Ort keinen Termin bekommen, „selbstverständlich auf das alternative Versorgungsangebot im Umland zurückgreifen“. „Genau, da fahre ich dann mit meinem kleinen Sohn im Bus von Neuenhausen nach Grevenbroich, um von dort nach Dormagen zu kommen“, beschreibt Kerstin Schmengler einen für sie „unpraktikablen Weg“.
„Direkt in der Stadt sei es schwierig, Termine zu bekommen“, bestätigen andere Mütter. „Mehrfache Anrufe“ und „Geduld in der Warteschleife“ seien nötig. „Bei einem akuten Anliegen kann man spätestens am nächsten Tag kommen, muss aber Wartezeit mitbringen“, heißt es bei Facebook. „Termine z mache ich meist per E-Mail und lange im Voraus“, lautet ein Netzwerkerinnen-Tipp.