USA-Korrespondentin Hanni Hüsch: „Oh Tannenbaum“ bei 40 Grad
Hanni Hüsch auf Kurzbesuch in ihrer Heimatstadt.
Neuss. So ganz loslassen kann sie nicht. Natürlich hat Hanni Hüsch an diesem Morgen die Agenturmeldungen überflogen, Mails abgerufen und Nachberichte zum Super Bowl gelesen. Barack Obama liegt in einer Umfrage der Washington Post deutlich vor einem möglichen Gegenkandidaten Mitt Romney.
Keine Überraschung. Die Wirtschaftsdaten haben sich verbessert, es gibt mehr Jobs, und „Jobs, Jobs, Jobs, das zählt.“
Hanni Hüsch ist gleich mitten drin. Ein paar Tage hat die ARD-Studioleiterin des Washington-Büros Urlaub, jetzt sitzt sie in ihrem Elternhaus an der Promenadenstraße, gegenüber dem Blutturm. Und erzählt aus den USA.
Sie mag das Land, sie mag die Menschen, sagt sie; „bei allem Anlass zur Kritik“. Dazu findet sie gerade jetzt im Vorwahlkampf der Republikaner reichlich Gelegenheit. Sie mag das Land, und es bedrückt sie, dass die Schere zwischen Arm und Reich sich weiter öffnet. „Jedes fünfte Kind lebt unter der Armutsgrenze, das ist doch unwürdig für die reichste Nation der Welt.“
Temperamentvoll erzählt die Neusserin, die seit 2008 in Washington arbeitet. Den deutschen Fernsehzuschauern will sie übersetzen, was in den USA geschieht, warum es geschieht, was die Menschen empfinden. „Je länger man dort lebt, desto mehr erkennt man: Es ist hier ganz anders.“ Für Hanni Hüsch jedenfalls ist es „einfach spektakulär“, aus diesem Land zu berichten.
Dass Deutschland den US-Amerikanern als sozialistischer Wohlfahrtsstaat gilt, der keinesfalls ein Beispiel sein kann, hört sie oft. Doch Deutschland ist fern, nur Angela Merkel schafft es auf die Titelseiten. Nach ihrer Heimat aber wird sie oft gefragt. Sie verweist dann aufs Rheinland mit seiner „Mischung aus Frohsinn und Melancholie“. Oder es kommt zu überraschenden Treffen: Las Vegas, Elektronik-Messe, alles drängt sich, und am Stand eines südkoreanischen Ausstellers hört sie „eindeutig rheinischen Dialekt“. Der Vertreter des Unternehmens kommt vom Jröne Meerke. . .
Eine andere Begegnung zählt sie zu den anrührendsten Episoden ihrer USA-Jahre: Kansas, ein kleiner Ort im Sommer, 40 Grad, In einer Kneipe sitzt eine Gruppe alter Männer mit deutschen Wurzeln. Sie spielen Karten, der Verlierer zahlt den anderen den Kaffee. „How great! You’re from Germany!“
Man redet und redet, schließlich bitten die Herren die deutsche Journalistin, mit ihnen ein Lied zu singen. „Und dann war’s ’Oh Tannenbaum’. Ich habe mitgesungen, unter Tränen“, sagt Hanni Hüsch.
Sie mag es, durchs Land zu fahren, wann eben es ihre Tätigkeit als Studioleiterin erlaubt. Über den Oregon-Trail hat sie einen Film gemacht, und gerade lief ihr Beitrag über den „stolzen Süden“. Kreuz und quer ist sie gereist. Was hat sie nicht gesehen? Utah und North-Dakota, kommt es prompt. „Das schaffe ich aber auch noch.“
Den Kontakt nach Neuss hat sie immer gehalten. Und obwohl sie den Kopf schütteln kann über die unfreundliche Bedienung an der Wursttheke („Ja, es war in einer Metzgerei in Neuss. So etwas gäbe es einfach nicht in den USA“), sagt sie: „Das ist ein Stück warme Heimat hier.“
Nur drei Mal, da ist sie sicher, hat sie sie das Schützenfest verpasst. Einmal musste sie unter dramatischen Umständen abreisen: Sie war Studioleiterin in London, wollte „die Tage des Frohsinns genießen“ — und dann kam in der Nacht auf Sonntag der Anruf eines ZDF-Kollegen: Diana war verunglückt. „Mein Vertreter war auch nicht da, es war der Gau. Aber es hat noch irgendwie geklappt, und ich war rechtzeitig auf Sendung.“
Hanni Hüsch ist Vollblutjournalistin. Als sie in die USA kam, ging der Obama-Wahlkampf seinem Ende entgegen. Wenn es in diesem Jahr zur Entscheidung kommt, im November, wird sie nicht vor Ort sein. Im Sommer übernimmt turnusgemäß der WDR vom NDR die Leitung des Studios, dann wechselt auch die Leiterin. Dass es ihr schwerfällt, zu gehen, verhehlt Hanni Hüsch nicht.
Am Donnerstag aber fliegt sie erst einmal zurück. Am Freitag sind Mitt Romney und Newt Gingrich in Washington, die Tagesschau hat sich schon gemeldet.