Vormundschaft: Zwei Mitarbeiter für 190 Kinder
Der Bundestag will die Zahl von 120 Mündeln pro Vormund auf 50 senken. Viele Ämter erfüllen die Vorgabe bereits.
Rhein-Kreis Neuss. 120 Kinder — das ergibt eine Menge Sorgen und Wünsche, einen großen Bedarf an offenen Ohren und achtsamen Augen. Dass ein einzelner Mitarbeiter bei so vielen Kindern manchmal überfordert ist und ihm Kleinigkeiten entgehen, die ein tragisches Ende nehmen können — das liegt auf der Hand. Jetzt reagiert der Gesetzgeber: Künftig soll jeder Jugendamts-Vormund höchstens 50 Minderjährige statt wie bisher 120 betreuen, die keinen gesetzlichen Vertreter haben.
Das Kreisjugendamt, das für Korschenbroich, Jüchen und Rommerskirchen zuständig ist, ist dem Gesetzesbeschluss bereits zuvorgekommen: „Wir unterschreiten die Zahl von 50 Kindern pro Vormund. Wir betreuen insgesamt 18 Vormundschaften“, sagt Hermann Zohren vom Kreisjugendamt. „Bei Ämtern, die schlechtere Zahlen haben, ist der Gesetzesbeschluss sinnvoll. Es kann schnell etwas passieren, wenn man seine Mündel nicht kennt.“
Auch in Meerbusch sieht man der Begrenzung der Fallzahlen gelassen entgegen. „Wir befürworten den Entwurf voll und ganz und haben das bereits vor zwei Jahren bei uns entsprechend eingerichtet. Auf zehn Mündel kommen zwei Mitarbeiter“, sagt Jugendamtsleiter Peter Annacker. „Wir brauchen mehr Verbindlichkeiten, der persönliche Kontakt ist nötig.“ Mindestens einmal im Monat sehen die Meerbuscher Mündel ihren Vormund, manchmal auch häufiger.
In Neuss hingegen besteht Handlungsbedarf, wenn das neue Gesetz in Kraft tritt. Dort wurde in 170 Fällen den Eltern das Sorgerecht entzogen, hinzu kommen 20 Jungen und Mädchen, deren Mutter selbst noch unmündig ist — in der Summe 190 Kinder, deren Vormundschaft von zwei Mitarbeitern des Neusser Jugendamtes getragen wird.
Sozialdezernent Stefan Hahn sagt dazu: „Die beiden Mitarbeiter entscheiden beispielsweise, welche Schule die Kinder besuchen sollen.“ Bald sollen es zwei Mitarbeiter mehr sein. „Wir müssen in der Praxis sehen, ob das genügt, oder ob die Arbeitsbelastung durch die monatlichen Besuche zu hoch ist und weiteres Personal nötig ist“, sagt Hahn. Das Thema sei zu heikel, als dass Kosten gespart werden können.
Trotzdem sieht er das Gesetz kritisch: „Berlin ist über das Ziel hinaus geschossen. Nach dem Fall Kevin hat das etwas von Aktionismus. Die Kommunen und Jugendämter sollten selbst abwägen, wie viele Mitarbeiter sie in diesem Bereich benötigen.“
Die Kaarster Jugendamtsleiterin Ute Schnur hält das Gesetz zwar für „sehr sinnvoll“, sieht jedoch ebenfalls Grund zu Kritik: „Man kann sich darüber streiten, ob 50 Mündel nicht noch zu viele sind“, sagt sie. In Kaarst kommen rund 50 Kinder auf eine Vollzeitstelle im Bereich Vormundschaft. „Um adäquate Entscheidungen treffen zu können, muss der Vormund die Kinder und ihre Lebenssituation gut kennen.“