NRW Schülerin wird Chefin für einen Tag
Neuss/Köln · Ein Schnuppertag als Vorständin bei Lanxess hat der Neusser Schülerin Sophia Schulte eine Vorstellung vermittelt, wie spannend es beruflich in der Chemieindustrie sein kann. Was hat die 17-Jährige dort erlebt?
Helm, Sicherheitsschuhe, Schutzbrille hat Sophia Schulte schon angelegt, ist in den weißen Kittel geschlüpft, da muss sie noch ihr Smartphone abgeben. „Wir sind ein explosionsgefährdeter Betrieb“, erklärt Werksleiter Uwe Tegtmeier und befestigt das Gaswarngerät an der Brusttasche seines Kittels. Bevor es in den „LPT-Betrieb“ von Lanxess in Leverkusen geht, müssen alle Gegenstände, die mit Funkwellen arbeiten, im Leitungsbüro zurückgelassen werden. Bei einem plötzlichen Gasaustritt könnte es sonst zu einer ungewollten Interaktion zwischen Handy und dem Gas kommen.
So verhüllt, wie Sophia Schulte nun ist – inklusive Corona-Maske – sieht man ihr kaum noch ihr Alter an: Gerade 17 Jahre alt ist sie, ist aber für einen Tag in die Rolle der Arbeitsdirektorin von Lanxess geschlüpft. Eine Aktion des Chemie-Netzwerks ChemCologne machte es möglich: Unter dem Motto „Meine Position ist spitze“ haben Unternehmen der Region Schüler eingeladen, Führungsjobs zu übernehmen. Erst vor wenigen Wochen hat Sophia am Gymnasium Marienberg in Neuss ihre letzte Prüfung
abgelegt.
Auf dem Gelände des Chemieparks, der früher mal zu Bayer gehörte, sind an die 70 Unternehmen mit ihren Betriebsstätten untergebracht, Rohrbrücken überziehen die rechtwinklig angelegten Straßen, durch die Leitungen fließen die Rohstoffe in die einzelnen Werke. „Das ist hier eine ewige Baustelle“, wird Sophia erklärt. Denn Wirtschaft heißt, sich ständig neu zu erfinden. Ob auf der Seite der Produkte oder der der Kunden: es gibt immer Bewegung. So wie Lanxess mal Bayer war und nun ein eigenständiges Unternehmen mit weltweit mehr als 14 000 Mitarbeitern ist.
Im Herbst will Sophia
ihr Studium aufnehmen
Das Produkt, das Sophia kennenlernt, heißt Lewatit, ein Material zur Wasseraufbereitung und Flüssigkeitsreinigung. Betriebsleiter Tegtmeier erklärt die Funktionsweise von Ionentauschern und wie sie chemisch hergestellt werden. Acrylnitril, Monomere, Polymere – die Teenagerin nickt, stellt Nachfragen: Ja, das hat sie alles im Leistungskurs Chemie gelernt.
Im Herbst will Sophia ihr Studium aufnehmen, vorzugsweise Chemie oder Wirtschaftschemie in Kombination mit Jura, sie sei noch nicht ganz entschieden. Etwas erschreckend findet sie die Vorstellung, 40 Jahre in einem Chemielabor zu stehen bis zur Rente: „Man weiß nicht, was der Beruf wirklich enthält.“
Der Tag in der Rolle von Lanxess-Vorständin Stephanie Coßmann soll genau dabei helfen, eine Vorstellung zu bekommen, wie der Sprung ins Berufsleben aussehen könnte. Im Lanxess-Tower in Köln-Deutz hat Sophia am Morgen schon eine Sitzung mit dem Compliance-Team leiten dürfen. Eigentlich habe sie gedacht, Frau Coßmann an dem Tag lediglich zu begleiten. Aber die hat den Stab tatsächlich an sie abgegeben.
Bei der Sitzung mit den Auszubildenden fühlte sie sich der Altersgruppe ihrer Gesprächspartner näher, als Arbeitsdirektorin gehören die Begegnungen mit Mitarbeitern zum Aufgabenfeld von Frau Coßmann. Im Anschluss gab es eine Videoschalte in die USA, auf Englisch musste Sophia das Gespräch mit dem Leiter Rechtsangelegenheiten von Lanxess in den USA führen, da sei es doch etwas „holprig“ zugegangen, meint sie in Bezug auf ihr Englisch.
Alles, was mit Farben zu tun hat und leuchtet, habe sie schon als Kind fasziniert, so Sophia. Ihre Begeisterung für Chemie habe ihr Onkel schon in jungen Jahren geweckt. Dann gab es an ihrer Schule einen „tollen Chemielehrer“, ohne den sie wahrscheinlich nicht an ein Studium in dem Bereich gedacht hätte. Coßmann ist beeindruckt von ihrer Stellvertreterin für einen Tag: „Ich finde es super, dass du den Mut hattest, dich zu bewerben.“