Guido Assmann aus Neuss ist neuer Hausherr im Kölner Dom – er spricht über sein neues Amt, Corona und die Bedeutung des Doms in Krisenzeiten „Sorge macht mir, dass der Glaube spürbar schwindet“

KÖLN. · Monsignore Guido Assmann wurde 1964 im Radevormwald geboren. Seit dem 20. September ist er der neue Kölner Dompropst. Zuvor war Assmann Oberpfarrer im Neusser Quirinus-Münster und Kreisdechant des Kreisdekanats Neuss.

Sie haben Ihr neues Amt in schwierigen Zeiten angetreten.

Guido Assmann: Ich bin jetzt seit zweieinhalb Wochen in Köln. Und das Thema Corona ist ein ständiger Begleiter. Das gilt zum Beispiel, wenn ich unsere Mitarbeiter kennenlernen möchte. Das muss alles auf Abstand und mit Maske geschehen. Dabei ist menschlich Nähe wichtig, aber aktuell ist das nur schwer umsetzbar.

Die strengen Regeln gelten auch für den Besuch des Doms und für die Gottesdienste.

Assmann: Ein Ausschuss des Domkapitels befasst sich damit, wie und in welcher Form in der Adventszeit und an Weihnachten Gottesdienste im Dom möglich sein werden. Natürlich beraten wir hier aus der heutigen Sicht und müssen dann im Zweifelsfall tagesaktuelle Entscheidungen treffen, die kurzfristige Änderung berücksichtigen. Bei der Christmette um Mitternacht haben wir im Dom 4000 Menschen gehabt, das wird definitiv so nicht möglich sein. Aktuell können zu Gottesdiensten im Dom 178 Besucher kommen. Zusätzliche Plätze gibt es für Personen aus demselben Haushalt.

Wie sieht es mit der Bereitschaft der Menschen aus, in Zeiten der Pandemie den Dom zu besuchen?

Assmann: Die Gottesdienste im Dom sind gut besucht, das gilt für die Zeit unter der Woche genauso wie für den Sonntag. Wir haben aktuell allerdings deutlich weniger Touristen, die den Dom besuchen. Geöffnet ist mittlerweile wieder die Domschatzkammer, auch Turmbesteigungen sind mit den entsprechenden Hygieneregeln wieder möglich. Auch Innenraum- und Dachführungen sind wieder buchbar.

Welche Bedeutung hat der Dom in Krisenzeiten?

Assmann: Wichtig ist, dass die Kirchen tagsüber für die Menschen offen sind, das gilt auch für den Dom. Es ist der Ort der Begegnung mit Gott mitten in der Hektik der Stadt. Das ist etwas, das über das hinausweist, was sonst unseren Alltag bestimmt. Man kann sich still hinsetzen, beten oder sich einfach von der Kunst im Raum ansprechen lassen. Das ist wichtig und auch der Auftrag der Kirche. Dass Menschen jetzt speziell wegen ihrer Sorgen und Angst in der Krise kommen, den Eindruck habe ich aber aktuell nicht. Wir hoffen alle auf den Impfstoff, den ein Gebet natürlich nicht ersetzen kann. Aber es hilft den Menschen und macht sie stärker. Das ist im Wissen der Menschen leider etwas verloren gegangen.

Was bedeutet der Dom für Sie ganz persönlich?

Assmann: Am 1. Juni 1990 war dort meine Priesterweihe. Wir sind mit festlicher Musik in den Dom eingezogen. Ich habe da begriffen, welch wichtiger Moment in meinem Leben mir mit der Priesterweihe bevorsteht. Darauf hatte ich mich sehr lange vorbereitet. Auch der Moment, an dem ich vor dem Altar auf dem Boden gelegen habe, hat mich stark mit dem Dom verbunden.

Sie sind von ihrer alten Wirkungsstätte Neuss nach Köln zum Dom gepilgert.

Assmann: Das hat eine gewisse Tradition, die begonnen hat, als ich nach meiner ersten Stelle als junger Kaplan mit unseren Messdienern von Eitorf an der Sieg nach Köln-Klettenberg gelaufen bin. Das habe ich dann nach jedem Wechsel der Stelle so gehalten. In Neuss sind wir am Schrein des Hl. Quirinus gestartet und haben am ersten Tag die Kölner Stadtgrenze erreicht, am zweiten ging es von dort zum Dreikönigenschrein im Dom. Bis zu 25 Menschen haben mich dabei begleitet. Es war eine Zeit, um sich etwas zu erzählen, es war aber auch die Chance, über das nachzudenken, was man verlassen hat, und über das, was einen jetzt erwartet. Ich hätte nur gedacht, dass wir auf dem Weg die Türme des Doms viel früher sehen, als dies dann wirklich der Fall war.

Zu den großen künftigen Projekten zählt die neue „Historische Mitte“ am Dom.

Assmann: Das in die Jahre gekommene Kurierenhaus am Roncalliplatz soll weichen und durch ein neues Gebäude ersetzt werden, das den Ansprüchen der heutigen Zeit gerecht wird. Das ist eine sehr prominente Stelle in der Stadt, die hier ein neues Gesicht bekommt. Die Stadt und das Domkapitel haben sich entschlossen, gemeinsam die Verantwortung für dieses große Projekt zu tragen, das viele Herausforderungen bereithält. Es geht hier um eine Umgestaltung, die für Jahrzehnte oder auch für Jahrhunderte Auswirkungen haben wird. Das muss sehr gut geplant werden.

Zu den Problemen am Dom zählt, dass die Menschen zu wenig Respekt vor einem Gotteshaus zeigen.

Assmann: Der Dom soll einladend sein, aber ab und zu ist es notwendig, ihn zu schützen. Das ist aber kein spezielles Phänomen des Doms. Es geht um den Respekt vor den Mitmenschen und vor deren Eigentum. Und es geht auch um den Respekt vor den religiösen Gefühlen anderer Menschen. Das muss auch gerade den jungen Menschen vermittelt werden, denn Respekt ist ein sehr wertvolles Gut. Das gilt bei Demonstrationen vor dem Bundestag in Berlin genauso wie für den Umgang mit Polizisten, die ihren Dienst für die Menschen tun. Da ist die Hemmschwelle leider deutlich gesunken.

Was macht Ihnen Hoffnung und was Sorgen?

Assmann: Sorge macht mir, dass der Glaube spürbar schwindet. Selbst Menschen, die lange den Glauben getragen haben und sich in der Kirche engagiert haben, gehen jetzt auf Distanz. Gleichzeitig habe ich die Hoffnung, dass sich Menschen vom Angebot der Kirche ansprechen lassen, von den Gottesdiensten und der Liturgie. Hoffnung machen mir auch Nachbarn, die sich um Flüchtlinge kümmern, erfolgreiche Schulprojekte der Kirche und gut besuchte katholische Kindergärten. Es ist wichtig, dass die Kirche im Alltag der Menschen vorkommt und dass es die Chance gibt, ins Gespräch zu kommen. Die kirchliche Gemeinschaft kann Menschen durch das Leben helfen.