Da gibt es nichts zu meckern — 130 Osterlämmer sind schon da
Züchter Jörn Kehrmann hält eine Herde Texelschafe und freut sich über reichlich Nachwuchs.
Sprockhövel/Hattingen. Das kleine, weiße Lamm ist durch den Metallzaun geschlüpft und steht jetzt im Gang, mitten im Schafstall. Fröhlich hoppelt es durch die Grashaufen, die dort liegen. Kurz danach bleibt es stehen: Wo geht es denn jetzt zurück zur Mutter und damit zur Milch? Auf sein helles Mähen antwortet bald das Mutterschaf mit tiefem Blöken. Für das Kleine ist es gar nicht so leicht, durch die vielen Beine den Rückweg zu finden. Hundert Schafe und ein Bock stehen hier, westlich von Sprockhövel, im Stall.
Unterteilungen aus Holz schaffen abgetrennte Bereiche, die mit Stroh gepolstert sind. Der Geruch nach Land setzt sich innerhalb von Minuten in Haare und Kleider. Das Blöken ist so laut, dass man sein eigenes Wort kaum versteht. 130 Lämmer sind schon auf der Welt. Sie schlafen im Stroh oder machen ulkige Bocksprünge. 30 trächtige Mutterschafe warten noch auf die Geburt. Für Besitzer Jörn Kehrmann heißt das vor allem eins: Rund um die Uhr muss er bereit sein, dem Nachwuchs auf die Welt zu helfen. Nicht jedes Lamm schafft es ohne helfende Hände. Und jede Totgeburt ist nicht nur traurig, sondern gleichzeitig ein wirtschaftlicher Verlust.
Jörn Kehrmann, gelernter Landwirt, ist 28 Jahre alt. Er trägt ein kariertes Hemd, eine grüne Hose und Gummistiefel. Den Stall für seine Herde hat er gepachtet, mit seiner Freundin wohnt er um die Ecke. Landwirtschaft-Fan ist Kehrmann schon lange: Als Kind hielt er heimlich Kaninchen und Enten, als Teenager bekam er sein erstes Schaf. Heute stammen fast alle Tiere seiner 230-köpfigen Herde aus eigener Zucht. Nur eine Handvoll Schafe musste er im Laufe der Jahre dazukaufen. „Ich bin dafür geboren, und ich brauche keinen Urlaub“, sagt Kehrmann über seinen Beruf.
Vormittags arbeitet er als Besamungstechniker in der Rinderzucht, der Rest seiner Zeit gehört der Schafherde und den Limousinrindern, die er ebenfalls hält. Kehrmann arbeitet aus Überzeugung, reich werden kann er mit dem Verkauf von Lammfleisch und Wolle nicht. Seine Schafe sind Texelschafe. Sie sind robust und mussten erst Ende Januar von der Weide — damit sie nach der Schur keine Lungenentzündung bekommen, so ganz ohne Wolle.
In ein oder zwei Wochen geht es wieder nach draußen. Auf den eingezäunten Flächen brauchen die Tiere keinen Schäfer mehr. Trotzdem hat Kehrmann das Hüten gelernt, um mit der Herde von Ort zu Ort zu ziehen. Dabei hilft ihm Hütehund Max — er versteht sein Herrchen inzwischen auch ohne Worte und kann bestens auf die große Herde Acht geben. Von Zeit zu Zeit führt ihr Weg auch mitten durch Sprockhövel.
Im Stall ist es Zeit für die Fütterung. Als Kehrmann eine Getreidemischung auf den Boden streut, drängen die Mutterschafe nach vorne und stürzen sich auf das Futter. Die Lämmer nutzen den freigewordenen Platz, um sich quer durchs Stroh zu jagen. Ob Kehrmann den Anblick wohl auch rührend findet, trotz seiner täglichen Arbeit im Stall? Etwas nüchterner im Umgang sei er schon, sagt der Landwirt. Aber: „Ich habe mir immer geschworen: Wenn ich nichts mehr empfinde, höre ich auf.“