Schulleiter im Ruhestand Christoph Uessem lehnt sich zurück: „Ich bin glücklich und zufrieden“

Sprockhövel · Christoph Uessem, Leiter der Wilhelm-Kraft-Gesamtschule Sprockhövel, ist jetzt im Ruhestand. Corona hat einen großen Abschied verhindert. Er blickt auf seine Laufbahn zurück.

Christoph Uessem wollte eigentlich Journalist werden.

Foto: Fischer, Andreas H503840

„Sag beim Abschied leise Servus“, der Titel dieses alten Wiener Liedes passt vorzüglich zu dem  fast lautlosen Ausscheiden von Christoph Uessem aus seinem Berufsleben, in dem er 40 Jahre lang unterrichtet hat und während der letzten elf Jahre Schulleiter an der Haßlinghauser Wilhelm-Kraft-Gesamtschule (WKGe) gewesen ist. „Gern hätte ich mich persönlich von den  1250 Schülerinnen und Schülern und den 120 Kolleginnen und Kollegen aus dem Lehrerkollegium verabschiedet“, bedauert Uessem. Die Umstände der Pandemie haben dies verhindert.

„Aber von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern an meinem letzten Kurs ging das zumindest per Video-Konferenz“, schildert der frischgebackene Ruheständler, der derzeit damit beschäftigt ist „nach 40 Schuljahren mein heimisches Büro aufzuräumen.“

Ein Lyrik-Band von 1972
begeistert Uessem noch heute

Da findet man manches in alten Schulbüchern, das längst nicht mehr der heutigen Zeit entspricht. „Vieles brauche ich einfach nicht mehr“, verrät der beliebte Schulmeister. Aber das gilt nicht für den Gedicht- und Lyrik-Band von 1972 aus der Zeit, als Uessem selbst noch die Schulbank gedrückt hat. „Darin blättere ich immer noch gern“,  und schaut lächelnd auf die Gedichte von Walther von der Vogelweide.

Christoph Uessem ist ein Rheinländer und ging in Bonn zur Schule. Nach seinem Referendariat hat er zunächst zwölf Jahre an der St.-Anna-Schule auf dem Elberfelder Ölberg unterrichtet, ehe er 1994  ins westfälische  Haßlinghausen wechselte.

Rheinland und Westfalen, ein Mentalitätsunterschied? Nicht von der Hand zu weisen, vor allem im Umgang mit dem Karneval. „Früher habe ich von Weiberfastnacht bis Veilchendienstag keine Schule von innen gesehen“, erinnert sich der einstige „Fastelovends-Jeck“ daran, dass in Haßlinghausen selbst am Rosenmontag normaler Alltag herrscht.  Seinen Humor hat er zwar behalten, aber seine karnevalistischen Aktivitäten westfälischen Gepflogenheiten angepasst.

Änderungen hat Uessem in 40 Jahren als Lehrer auch im Umgang mit Schülern und Eltern ausgemacht. „Zwar gab es das Autoritätssystem zum Beginn  meiner Laufbahn nicht mehr, aber im Laufe der Zeit sind die Schüler selbstbewusster, kritischer  und auch frecher geworden. Vieles wird von den Eltern anders bewertet, Juristen werden bei unterschiedlichen Meinungen bemüht. Das ist manchmal sehr mühsam und bindet wertvolle  Zeit“, urteilt  Uessem rückblickend, schiebt aber nach: „Es gab keinen Tag, an dem ich nicht gern zur Arbeit gegangen bin.“

Dabei hatte Christoph Uessem ursprünglich ganz andere berufliche Pläne: „Meine Eltern waren beide Lehrer, aber ich wollte Journalist werden“, verrät er und gibt zu: „Ich habe die Aufnahmeprüfung an der Journalistenschule in Hamburg nichtbestanden.“ Eine Erinnerung über die der erfolgreiche Schulleiter und engagierte Oberstufen- Lehrer für Deutsch, Sozialwissenschaften, Wirtschaftswissenschaften und Literatur und Leiter eines Theaterkurses heute nur Schmunzeln kann. „Im Nachhinein bin ich dankbar dafür, denn dadurch bin ich ja  Lehrer geworden.“ Dass es sich dabei um seinen tatsächlichen Traumberuf  handelte, hat Uessem zwar nicht während des Studiums, aber später in der Praxis festgestellt. „Da habe ich dann bemerkt, dass das Vermitteln von Wissen an junge Menschen der richtige Beruf für mich ist.“

Allerdings waren die letzten Monate mit den extremen Einschränkungen und dem Distanzunterricht kein reines Vergnügen mehr und haben ihm den Abschied von seiner Lehrtätigkeit ein wenig erleichtert. Der Lehrer mit Leib und Seele macht seinem Herzen Luft. „Ich bin froh, dass ich mit den unausgegorenen und nicht zu Ende gedachten Vorgaben aus dem Ministerium nichts mehr zu tun habe.“

Zu tun hat der Pensionär und dreifache Großvater neben der Sichtung der Zeugen aus schulischer Vergangenheit noch ausreichend: „Gartenarbeit und Wandern sind reizvoll, und dass ich nicht mehr um 5.30 Uhr aufstehen muss, um um 7 Uhr in meinem Büro zu sein, ist auch nicht zu verachten.“  

Christoph Uessem lehnt sich zurück: „Ich bin glücklich und zufrieden.“ Am  29. Januar hat sich zum letzten Mal das Schultor hinter ihm geschlossen.