Erwin Sellering: Sprockhöveler Landesfürst

Erwin Sellering möchte in seine zweite Amtszeit in Mecklenburg-Vorpommern starten.

Schwerin/Sprockhövel. Am Sonntag um 18 Uhr ist der große Moment gekommen. Der Moment, für den Erwin Sellering und seine Mannschaft seit Monaten gekämpft haben.

Wenn die Wahllokale in Mecklenburg-Vorpommern schließen und die erste Prognose über die Ticker geht, weiß der Ministerpräsident des nördlichsten der eigentlich gar nicht mehr so neuen Bundesländer, ob er in eine zweite Amtszeit starten darf.

Gleichzeitig endet für den gebürtigen Sprockhöveler dann auch eine Zeit, die an Intensität kaum zu überbieten ist. Seit Monaten lebt er von Sieben-Tage-Woche zu Sieben-Tage-Woche, schüttelt Hände, lächelt in Kameras und gibt Interviews. Das gehört zum Geschäft eines Spitzenpolitikers, und kann ihm sogar die nötige Kraft geben.

Er habe in den vergangenen Wochen und Monaten mit vielen Menschen gesprochen und dabei „unheimlich viel Zuspruch bekommen. Das ist ein tolles Gefühl“, sagte Sellering am Mittwoch zur WZ. „Für Privates bleibt im Wahlkampf natürlich nur ganz wenig Zeit“, beschrieb er seinen Alltag.

Doch selbst im größten Wahlkampfstress nahm er sich die Zeit, einen Tag fernab der Kameras zu erleben: „Das war mein erster Hochzeitstag“, sagte der Ministerpräsident, der 2010 seine Britta heiratete.

Doch diese Ausbrüche aus dem hektischen Kampf um Stimmungen und Stimmen bleiben Besonderheiten. Ansonsten ist er mit seiner Wahlkampftruppe tagtäglich im Land unterwegs, um die Wahlberechtigten unter den etwas mehr als 1,6 Millionen Einwohnern zu erreichen.

Das ist nicht immer einfach in einem Land, in dem sich viele Bürger vernachlässigt von „denen da oben“ fühlen. 11,5 Prozent beträgt die Arbeitslosenquote. Dazu ist Sellering aus dem Westen — auch mehr als 20 Jahre nach der Wende ist das noch Thema.

Nicht so für den Ministerpräsidenten, der sich voll und ganz als Mecklenburger fühlt. Seit 1994 lebt er in Mecklenburg-Vorpommern, seit dem der Richter vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen nach Greifswald wechselte. In diese Zeit fällt auch sein gesteigertes Interesse für Parteipolitik.

Der Spätstarter trat erst nach seinem Umzug nach Ostdeutschland in die SPD ein. Vielleicht ist er laut einer kürzlich erschienenen Umfrage auch deswegen der unbekannteste Ministerpräsident Deutschlands.

Doch Sellering ist keiner, den das stört. „Das mit dem Bekanntheitsgrad gilt nicht für Mecklenburg-Vorpommern — hier kennen mich weit über 90 Prozent der Menschen“, sagt er. Am Sonntag um 18 Uhr weiß er, ob er nach wie vor ihr Landesvater sein wird.