Tafel: Mehr als nur Lebensmittel

Eine WZ-Mitarbeiterin hat bei der Tafel geholfen und festgestellt, dass die Leute nicht nur allein wegen des Essens kommen.

Haßlinghausen. Freitagmorgen, 11 Uhr. Kein Termin wie jeder andere. Heute steht für mich ein Arbeitstag bei der Haßlinghauser Tafel an. Ich werde eine Schicht mit anderen Ehrenamtlichen übernehmen und bei der Ausgabe von Lebensmitteln helfen. Im Vorraum der Sporthalle Haßlinghausen treffe ich meine heutigen Kolleginnen. Ihre Gelassenheit ist ansteckend. „Da kommen unsere Lebensmittel“, sagt Karin Hirschhäuser als ein weißer Kastenwagen vorfährt. Brote, Lebensmitteltüten, Gemüse und Gebäck tragen wir in die Ausgabestelle und bauen alles auf. Es sieht lecker aus. Schokopudding, Gemüse, Tortellini. Monika Schäfer guckt noch mal durch alle Tüten, bevor die Tür geöffnet wird.

Draußen stehen vor allem ältere Menschen. Die, die nicht so viel Rente bekommen oder Witwen, erklären die Kolleginnen. Sie kennen alle persönlich. Monika Schäfer legt einige Gebäckstücke und Brote zur Seite und sortiert das Schweinefleisch aus den Tüten für die muslimischen Familien. Die Damen von der Tafel kennen die Vorlieben ihrer 30 Schützlinge.

Ich stehe heute an den Gurken- und Salatkisten und bin für die Ausgabe zuständig. Immer eine Gurke und ein Salat pro Haushalt. Die Leute drängen in den kleinen Vorraum, stellen ihre Einkaufswägelchen ab und gehen ihre Runde. Erst eine Lebensmitteltüte, dann ein Gebäck, ein Brot und zum Schluss bin ich dran. Sie gucken mich erstaunt an. „Habt ihr neues Personal?“, scherzen sie.

Für ihren Einkauf geben sie eine Spende von zwei Euro ab. „Es ist ein Geben und Nehmen, die Leute betteln nicht und wir können das Spritgeld der Fahrer bezahlen“, erklärt Anja Werning. Sie ist seit sechseinhalb Jahren Vorsitzende der Hattinger Tafel und hat die Zweigstelle in Haßlinghausen mit aufgebaut. Ihr Engagement hat persönliche Gründe. Als alleinerziehende Mutter machte sie früher schwere Zeiten durch, war auf fremde Hilfe angewiesen. Heute geht es ihr wieder gut, so dass sie etwas von ihrem Wohlstand abgeben möchte.

Die Bedürftigen holen sich indes nicht nur ihr Essen ab, sie bleiben und erzählen. Von Alltagsproblemen, Krankheiten, ihren Haustieren. Eine warme Atmosphäre herrscht. Keine Anzeichen von Scham oder Überwindung, eher Freude darüber, sich für ein paar Minuten zu treffen und zu quatschen. Hier stoßen sie auf Verständnis und die Damen stehen mit Tipps zur Seite.

„Das erste Mal war eine große Überwindung für mich, aber jetzt kann ich damit umgehen, weil ich mich hier wohlfühle,“ erzählt eine ältere Frau, die jeden Freitag mit dem Fahrrad zur Tafel fährt. Zum Ende der Ausgabe kommen auch alleinerziehende Mütter mit ihren Kindern. Derzeit sind die Lebensmitteltüten nicht so voll. Milchprodukte, Kartoffeln und haltbare Nahrungsmittel fehlen. Deswegen haben die Damen von der Tafel sich eine kleine Entschädigung überlegt. Heute gibt es Kassetten für die Kinder. Sie strahlen, als sie sich etwas aussuchen dürfen. Karin Langewiesche verteilt Milchbrötchen als Wegzehrung. Eine Geste, die zeigt, wie sehr die Kinder den Helferinnen ans Herz gewachsen sind.

Die letzte Frau geht mit vollen Tüten und wünscht uns „Alles alles Gute und dass Sie gesund bleiben.“ Ein alltäglicher Satz, häufig genutzt. Ich bin mir sicher, dass die Frau es ernst meint. Ohne die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen wäre manches schwieriger.