„Fast überall waren Kämpfer“
Mit 23 Jahren hat Markus Matzel zum ersten Mal eine Krisenregion besucht. Seitdem fotografiert er Kriegsschauplätze und die Menschen dort.
Sprockhövel. Mit dem Ende des Zivildienstes wuchsen die Zweifel: „Ich habe mich gewundert, wie die sogenannte zivilisierte Welt versucht, Konflikte in Europa zu regeln“, staunt Bildjournalist Markus Matzel (48) aus Sprockhövel auch heute noch. Mehr als 20 Jahre ist es her, dass er kurzentschlossen seine Fototasche packte und in den Flieger stieg. Das Ziel: Kroatien. Von da aus ging es weiter nach Bosnien — direkt mitten in das Zentrum der Kämpfe, in die Hauptstadt Sarajevo, hinein. Dieser brenzlige Teil inmitten des Dinarischen Gebirges, der von 1992 bis 1995 die Welt in Atem hielt. Was Markus Matzel zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste: Dass seine Reise mit seiner Ankunft im Bosnienkrieg gerade erst begonnen hatte.
Mehrere Jahre lang ist der Fotograf zwischen der belagerten Stadt und seinem Zuhause in Deutschland hin- und hergeflogen. „Bei meiner ersten Reise war ich etwa 23 Jahre alt“, erinnert er sich. Angetrieben von der Frage, ob sich die westliche aufgeklärte Welt nicht etwas vormache, ließ er seine Kamera die Antworten suchen. Was er durch die Linse, die auf die Welt gerichtet war, sah, spiegeln seine Aufnahmen aus dieser Zeit wieder. Sie zeigen „eine Zivilisation, die nach und nach ihr Antlitz verliert“, schildert Markus Matzel. Vor allem fotografiert Matzel nicht den Krieg, sondern Menschen, die den Krieg erleiden.
„Einige Motive zeigen Situationen, in denen Menschen in Schlangen für Lebensmittel anstehen“, erklärt er. Bilder von Waffengräbern sind der Anfang einer ganzen Bandbreite von Abzügen, die das Leben und Sterben während des Bosnienkrieges in Sarajevo begleiten.
Obwohl Markus Matzel ursprünglich eine Ausbildung zum Zerspanungsmechaniker absolviert hat, ist er nie mehr in den Metallberuf zurückgekehrt. „Ich habe nach den prägenden Erfahrungen in Ex-Jugoslawien ein zweijähriges Praktikum in einer Fotoagentur durchlaufen“, erzählt Matzel.
Es dauerte nicht lange und er sollte erneut das Dröhnen von Raketenabwehrsystemen kennenlernen: „Für den Spiegel habe ich den Kosovokrieg im Jahr 1999 begleitet. Fast überall waren Kämpfe. Über Albanien ist die sogenannte UCK („Befreiungsarmee des Kosovo“) in die Kämpfe eingesickert. Dadurch war es teilweise unübersichtlich und unkontrollierbar.“ In Albanien und Mazedonien hat Markus Matzel mit Menschen aus Flüchtlingscamps gesprochen. Seine Fotografien zeigen Massengräber und Opfer, die auf kleinen Haufen in Straßen liegen.
Nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 auf die Türme des World Trade Centers in den USA „war es für mich klar, dass es nach Afghanistan gehen würde“, sagt Markus Matzel. Von dort aus führten ihn die politischen Entwicklungen weiter in den Irak. Terror und Raketenangriffe wurden zu treuen Begleitern. Seine Bilder, die im Zweiten Irakkrieg im Jahr 2003 entstanden sind, zeigen Verlorene im Kontext ihrer Verlorenheit — es sind Bilder des Elends und des Grauens. Bis heute, denn dort, wo einst der Garten Eden gelegen haben soll, hat Markus Matzel die Auswirkungen von Uranmunition (DU-Munition) erforscht, die von den USA unter anderem zur Panzerbekämpfung eingesetzt wurde. Die Folgen? „Ein rapider Anstieg von Krebserkrankungen, Fehlgeburten und Missbildungen bei Neugeborenen“, erklärt der Fotograf.