Schadstoffe PCB-Wert im Grünkohl ist viel zu hoch in der Nähe des Silikon-Herstellers BIW
EN-Kreis. · Ist Gemüse im EN-Kreis mit PCB belastet? Das versucht der EN-Kreis durch Grünkohlproben und einer orientierenden Emissionsuntersuchung beim Silikon-Hersteller BIW herauszubekommen. Betroffen sind die Ennepetaler Stadtteile Oelkinghausen und Büttenberg.
„Die neuen Ergebnisse machen es möglich, die Lage differenzierter zu bewerten. Danach gilt weiterhin: Eine akute Gefährdung der Bürgerinnen und Bürger liegt zwar nicht vor. Dennoch leistet das Plus an Klarheit auch keinen Beitrag, um den Menschen alle Sorgen nehmen zu können. Weil das so ist und sich nun erneut viele Fragen stellen, wird die Kreisverwaltung wie bereits in den vergangenen Monaten am Ball bleiben. Einer unser wichtigsten Aufträge lautet schließlich, uns um die Gesundheit der Bürger zu kümmern“, sagt Landrat Olaf Schade.
Viel früher als erwartet – nämlich bereits jetzt und nicht erst im März – liegen dem EN-Kreis die Untersuchungsergebnisse des Grünkohls vor. Weil die Pflanze sich aufgrund ihrer Blattoberfläche hervorragend als Bioindikator eignet, war sie zwischen August und November an sechs Standorten aufgestellt worden.
Erhöhte PCB-Werte an der Hälfte der Messpunkte
Die wesentliche Erkenntnis der Experten des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (Lanuv) lautet: An drei der sechs Messpunkte fanden sich erhöhte PCB-Werte. Diese werden wie bereits bei früheren Untersuchungen vom PCB 47 dominiert. Die höchste Belastung wurde an Messpunkt 2 und damit direkt nördlich der Firma BIW festgestellt. Dort lag der Wert um das 14-fache über dem so genannten Hintergrundwert. An den Messpunkten 3 und 4 - diese liegen im Wohngebiet Büttenberg - wurde dieser Wert um das 3,5-fache überschritten.
„Es zeigt sich, wie richtig es gewesen ist, bereits im Herbst letzten Jahres zunächst vorsorglich vor dem Verzehr von selbstangebautem Gemüse und Obst abzuraten“, so Schade. Gleichzeitig stellt er fest: „Klar ist jetzt ebenfalls: Wie immer betont, spielen die dioxinähnlichen PCB keine Rolle.“
Verzehrempfehlungen für Blattgemüse
Mit Blick auf die neuen Ergebnisse hat das Lanuv seine Verzehrempfehlungen differenziert. Danach sollte im unmittelbaren Umfeld der Firma BIW angebautes Blattgemüse nicht gegessen werden. Für das Wohngebiet Büttenberg gilt die Vorgabe, dort angebautes Blattgemüse nicht öfter als ein- oder zweimal pro Woche zu verzehren. Für alles andere Gemüse und Obst gelten bei Beachtung entsprechender Vorgaben – beispielsweise Schälen – keine Einschränkungen.
Weitere Konsequenzen aus den Ergebnissen: Bereits im Mai wird wieder Grünkohl aufgestellt, das Messgebiet wird nach Norden ausgeweitet und auch den Sorgen der Bürger, die in östlich und nordöstlich angrenzenden Gebieten wohnen, wird durch das Ausweiten des Untersuchungsprogramms Rechnung getragen. Für weitere Imissionsmessungen soll zudem sehr zeitnah ein Messcontainer zum Einsatz kommen.
„Alle Vorgaben und Messungen bleiben so lange bestehen und werden so lange wiederholt, bis das betroffene Gebiet keine PCB-Werte mehr aufweist, die über den Hintergrundwerten liegen“, skizziert Wolfgang Flender, zuständiger Abteilungsleiter im Schwelmer Kreishaus, den zeitlichen Horizont der Aktivitäten.
Aufgrund einer Anfrage der Kreisverwaltung, die mit Blick auf die bisherigen Untersuchungsergebnisse gestellt worden war, hat das Lanuv dem Kreis Anfang letzter Woche mitgeteilt, dass es Blutuntersuchungen im betroffenen Bereich von Ennepetal für grundsätzlich sinnvoll hält.
„Aktuell arbeiten wir an einem Konzept, klären Fragen rund um Zielgruppe, Angebotsform und Organisation. Sobald die Antworten vorliegen, werden wir die Bürger darüber informieren, wie sie an den freiwilligen Untersuchungen teilnehmen können“, so Dr. Sabine Klinke-Rehbein, Amtsärztin des EN-Kreises.
Kritik an der Zusammenarbeit mit dem Unternehmen BIW
Im Fokus der Aktivitäten der Mitarbeiter des Umweltamtes stehen das Unternehmen BIW und die Emission von PCB 47, 51 und 68. „Der PCB-Ausstoß durch nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen dieser Art ist inzwischen landesweit zu einem Thema geworden. Gemeinsam mit dem zuständigen Landesministerium klären wir aktuell, welche Schritte rechtlich möglich und geboten sind, um für Veränderungen zu sorgen“, so Flender.
Ausdrücklich bedauert er die mehrfach festgestellte mangelnde Kooperationsbereitschaft von BIW. „So müssen wir uns beispielsweise einen Maschinenaufstellplan umständlich erkämpfen, statt ihn einfach ausgehändigt zu bekommen“, berichtet Flender.
Um die Bevölkerung umfassend zu informieren, plant die Kreisverwaltung eine zweite Bürgerversammlung. „Wie im November setzen wir hier auf die Zusammenarbeit mit den Experten. Realistisch ist nach Rücksprache mit dem Lanuv ein Termin Anfang Februar“, kündigt Schade an.