Tietje: Misere begann vor 15 Jahren
Zehn Jahre lang war Karl-Heinz Tietje als Kämmerer Wächter der städtischen Finanzen. Zum 1. August wechselt er ins Amt für Rechnungsprüfung. Die WZ sprach mit ihm über Schuldenanstieg und Sparzwänge.
Drohende Überschuldung, Finanzaufsicht, Spardruck. Sind Sie froh, dass sie sich ab Montag nicht mehr in vorderster Linie damit befassen zu müssen?
Karl-Heinz Tietje: "Das war nicht mein Beweggrund zu wechseln. In dem Alter bekommt man nur selten noch einmal die Gelegenheit, etwas Neues zu machen. Deshalb habe ich nach reiflicher Überlegung gesagt, okay ich nehme das wahr.
Tietje: Nein, das hätte ich nicht, auch wenn die Haushaltsprobleme mit nicht ausgeglichenen Etats bereits vor 15 Jahren begonnen haben. Damals kamen Zusatzbelastungen durch den Aufbau Ost, Anstieg von Asylbewerberleistungen oder der Kreisumlage. Aber man hat noch angenommen, dass man das durch Haushaltssicherungskonzepte in den Griff bekommen kann. Leider musste der erwartete Haushaltsausgleich immer weiter verschoben werden. 2007 hatte ich aufgrund sprudelnder Gewerbesteuereinnahmen noch einmal Hoffnung, bald aus den roten Zahlen zu kommen, aber leider kam schon 2008 der Einbruch.
Tietje: Ich denke, diese Investitionen entsprangen aus Notwendigkeiten, die aufgenommen wurden. Der Busbahnhof beispielsweise war nicht mehr funktionsfähig. Außerdem gab es die einmalige Gelegenheit, dafür hohe Landeszuschüsse zu erhalten. Natürlich hat das auch zu höherer Verschuldung geführt, aber andererseits wurden neue Werte geschaffen.
Wer hat sonst Schuld an der Misere?
Tietje Schuld gebe ich den Umständen, nicht den vor Ort Handelnden. Alle haben sich bemüht, an der Haushaltskonsolidierung mitzuarbeiten, da ist auch einiges gelungen.
Tietje: Dazu zähle ich jetzt nicht die Steuererhöhungen, die sicher sein mussten. Aber wir haben den Aufwand deutlich reduziert, ohne, dass wir bisher eine Einrichtung schließen mussten. Das was Sprockhövel vorhält, wie Musikschule, Bürgerbüro oder Bücherei, kann man von einer mittleren Stadt auch erwarten. Vielleicht allerdings nicht immer in dieser Ausprägung, das heißt an zwei Standorten.
Tietje: Die Vorzeichen sind schlecht. Das Haushaltssicherungskonzept geht von einem Haushaltsausgleich erst 2018 aus, möglicherweise gibt es die Hoffung, dass sich die Lage positiver entwickelt, wenn die Gesundung der Wirtschaft sich fortsetzt, nach jetziger Situation ist es aber so, dass schon die bisherigen Einnahmeerwartungen für 2011 zurückgeschraubt werden müssen. Aber vielleicht gibt es ja noch Vorschläge, wo gespart werden kann. Das fordert ja auch die Finanzaufsicht.
Tietje: Ich denke die Gebühren sind derzeit ausgereizt, wir haben uns da an der Höhe in den Nachbarstädten orientiert. Ich sehe aber schon die Notwendigkeit von weiteren Angebotseinschränkungen, aber das hat der Kämmerer nicht zu entscheiden. Dafür ist ein breiter politischer Konsens nötig.
Tietje: Ich habe die Arbeit stets gerne gemacht. Der Umgang mit Zahlen hat mir immer gelegen. Mit vielen Personen beizutragen, dass sich etwas für den Haushalt entwickelt, war ein spannender Prozess.
Tietje: Auf jeden Fall. Ich bin zwar kein Sprockhöveler Bürger, aber wenn man mehrere Jahrzehnte in einer Stadt arbeitet, entsteht eine hohe Identifikation. Außerdem werden ich meine künftige Arbeit ja zum Teil weiter hier im Rathaus machen. Ich bin auch für meinen Nachfolger immer ansprechbar, schließlich wünsche ich mir einen nahtlosen Übergang.