Kastanienallee in Neuss gerettet Allee: Politik misstraut Verwaltung

Selikum. · Die Bäume seien krank – so die Verwaltung. Stimmt nicht – behauptet ein Gutachten. Die Fraktionen trauen der Stadt nicht.

Die Stadt wollte die geschützten Kastanien am Kinderbauernhof fällen. Doch acht Bäume sind gar nicht krank, die Allee gilt als erhaltensfähig.

Foto: Christoph Kleinau

Acht von den verbliebenen elf Bäumen des Naturdenkmals Kastanienallee an der Gerhard-Hoehme-Allee in Selikum können nun doch erhalten werden. Mit dieser Zusage reagiert die Stadt, die die Allee ursprünglich im Winter abholzen wollte, auf das Ergebnis eines neuen Gutachtens, das von Anwohnern in Auftrag gegeben worden war und davon spricht, dass die Allee „erhaltenswert und erhaltensfähig“ ist. Die Verwaltung spricht von einer „grundlegend veränderten Ausgangslage“ und kündigt an, den Empfehlungen des Gutachtens folgen zu wollen und erforderliche Schnitt- und Pflegearbeiten in den nächsten Wochen vorzunehmen.

Dies Hin und Her in der Bewertung nimmt die Politik mit Befremden auf. „Über Konsequenzen wird zu reden sein“, sagt Michael Ziege (SPD), dem als Mitglied der Baumkommission beim Ortstermin noch dargelegt worden war, dass alle Bäume mit dem Brandkrustenpilz befallen seien – was einem Todesurteil gleich kommt. Tatsächlich war dieser Schädling an keinem einzigen Baum nachweisbar. Zum Befremden kommt bei Ziege Enttäuschung: Das Knowhow im Grünflächenamt sei trotz Verstärkung des Teams – offenbar nicht ausreichend, in so gravierenden Fällen alleine zu fundierten Bewertungen zu kommen.

Ingrid Schäfer (CDU) will noch nicht von Konsequenzen reden, bevor sie die beiden nun vorliegenden Bewertungen nicht inhaltlich abgeglichen hat. Vor allem aber will sie zunächst wissen, „ob uns die Verwaltung da einen erzählt hat“ – um die Kosten für die Pflege der uralten Bäume loszuwerden. „Das wird noch Wellen schlagen“, sagt sie. Und sie kann nicht verhehlen, dass ihr Misstrauen geweckt ist.

Dem kann sich auch Ziege nicht entziehen. Er sei beim Ortstermin, als die Verwaltung einen Fäll-Beschluss haben wollte, ohne Gutachten zu präsentieren, davon ausgegangen, „dass das eine sichere Kiste ist“. Möglicherweise sei dieser weitreichende Beschluss, mit dem auch beim Kreis die Befreiung von den Bestimmungen des Natur-Denkmalschutzes beantragt worden war, aber doch nicht mit der gebotenen Sorgfalt vorbereitet worden.

Den wesentlichen Unterschied zwischen beiden Gutachten macht Thomas Schommers, Vorsitzender der Cornelius-Gesellschaft, in der Methodik aus. Das Gutachten der Stadt sei „rein visuell“, also durch bloße Inaugenscheinnahme erstellt, das der Anwohner mit messtechnischen Verfahren. Und dem Einsatz von Spürhunden, die auf den mörderischen Brandkrustenpilz angesetzt wurden. Dieses zweite Gutachten sei mit der Stadt abgesprochen worden, sagt Schommers. Dabei habe der Bürgermeister zugesagt, dass die Stadt die Kosten übernimmt. „Und der Bürgermeister hält sich an sein Wort“, weiß Schommers.

Mit dem Einlenken der Verwaltung kann die Cornelius-Gesellschaft einen Pfeil im Köcher lassen. Sie wollte „ihr“ Gutachten dem Landschaftsbeirat des Kreises zukommen lassen und zugleich den Landrat auffordern, in dieser Sache seiner Kommunalaufsicht nachzukommen. Davon nehme man nun Abstand, sagt Schommers, der aber daran festhält, am Dienstag, 5. November, eine Bürger-Informationsveranstaltung abzuhalten. Dabei soll ab 19 Uhr im Saal der Gaststätte „Haus Selikum“ das Gutachten vorgestellt und das weitere Vorgehen beraten werden.

Mit der Ankündigung von Kronenrückschnitten, die die Verwaltung vornehmen will – und von denen im Gutachten auch nicht die Rede sei –, ist die Cornelius-Gesellschaft nicht einverstanden. Wenn von solchen „Pflegemaßnahmen“ gesprochen werde, so Schommers, „weiß man ja, was das ­bedeutet“.